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Mehr Bier

Mehr Bier

Titel: Mehr Bier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Arjouni
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Dann können Sie sehen, wo Sie bleiben! Haben Sie verstanden?!«
    Ich hatte Lust, ihm eine runterzuhauen.
    »Na, antworten Sie! Sie sind doch sonst immer so schlau, ha?! Da fällt Ihnen nichts ein, Sie…!«
    Ich nahm Post aus dem Briefkasten, schloß ab und ging auf ihn zu. Es trennten uns noch zwei Meter, da fing er an zu stottern.
    »Wenn Sie mir was tun… wenn Sie es wagen… ich, ich ruf die Polizei… die, die werden Sie mitnehmen, und dann ist endlich Ruhe im Haus… dann kommen Sie ins Gefängnis, dann sind Sie weg!«
    Seine Hände flatterten mir entgegen, wie wenn man Tauben vertreibt.
    »Ha, ha… ich warne Sie… tun Sie mir nichts, sonst… ich schreie…«
    Er schnappte nach Luft. Ich schob mich an ihm vorbei und stieg die Stufen zu meiner Wohnung hoch. Oben zog ich mir die feuchten Kleider von der Haut und stellte mich unter die heiße Dusche. Die Füße prickelten unangenehm. Beim Abtrocknen dachte ich an Carla Reedermann. Danach streifte ich Wollhose und zwei Lagen Pullover über und schnürte mir Wanderschuhe an die Füße. In der Küche roch es nach angebrannten Zwiebeln. Ich schenkte mir ein Wasserglas voll Chivas ein und ging zum Telefon. Ich wählte die Nummer meiner Autowerkstatt und ließ es eine Weile klingeln.
    »Autowerkstatt Riebl.«
    »Kayankaya. Ist mein Wagen fertig?«
    »Bin grad dabei, wieso?«
    »Vor drei Wochen haben Sie versprochen, die Schüssel in einer Woche wieder hinzukriegen.«
    »Aber keine Sorge, spätestens übermorgen haben Sie den Wagen.«
    »Ich mache mir keine Sorgen. Ich brauche heute ein Auto, und wenn’s nicht anders geht, nehme ich Ihre Limousine.«
    Er kicherte. Riebl gehörte zu den Menschen, die ständig den Eindruck machen, betrunken zu sein, aber nie einen Schluck Alkohol anrühren. Er war einfach nur ein bißchen dämlich.
    »Kein Witz. In einer halben Stunde bin ich bei Ihnen.«
    Er kicherte weiter und sabbelte irgendwas in den Hörer. Ich legte auf.
    »Bin gleich da.«
    Riebl lag unter der Motorhaube meines grünen Kadetts. Es roch nach Benzin und Schmieröl. In der Ecke kreischte ein Radio Heimatmelodien. Dann tauchte er auf aus der Versenkung.
    »Ach, Sie, Herr…«
    »Kayankaya.«
    »Genau.«
    »Was ist mit meinem Wagen?«
    Er kratzte sich im Nacken und sah mit verklärtem Blick zu Boden, als hätte man ihm ein zweideutiges Angebot gemacht.
    »Tjaaa…«
    »Bitte?!«
    »Wissen Sie, man verschätzt sich so leicht. Auf den ersten Blick sind’s die Kerzen, und dann ist der ganze Motor im Eimer. So geht’s, nicht wahr?«
    »Geben Sie mir die Schlüssel von Ihrem Wagen. Heute abend um halb acht bin ich zurück.«
    Er schüttelte seinen zusammengedrückten Kopf.
    »Ts, ts, ts, ich weiß ja nicht…«
    »Na, los.«
    Zögernd fingerte er einen Schlüsselbund aus dem Overall.
    »Also wirklich… eigentlich…«
    »Bis heute abend.«
    Ich ließ ihn mit meinem Kadett stehen. Zwanzig Kilometer hinter Darmstadt kam die Ausfahrt Doddelbach.

4
    Zum ersten Mal hörte ich es von einem rothaarigen Typ im GROSSEN SCHIFF in Sachsenhausen. Bei dem hieß Doddelbach stur Trottelbach. Da er aber auch Äbbelwoi statt Äppelwein sagte, habe ich nicht weiter darüber nachgedacht. Später fiel mir bei anderen, die es nicht so eilig mit ihren Silben hatten, die gleiche Aussprache auf. Jene umwerfende Art Humor, die aus einem Professor einen Brotfresser macht, meinte ich. Erst heute, Jahre später in Doddelbach, ging mir ein Licht auf.
    Doddelbach war ein kleines Nest mit einer häßlichen Fußgängerzone als Mittelpunkt. Drittklassige Modeläden reihten sich an Supermärkte, mit Verkäuferinnen, die aussahen wie die Wurst im Schaufenster. Blumenfässer, Lampenkugeln und leere Bänke schmückten die Straße. Rentner schoben sich mit rollenden Einkaufstaschen übers Trottoir. Wahrscheinlich lockte ein Sonderangebot trotz naßkaltem Wetter auf die Straße. Hausfrauen regelten in wettergeschützten Ecken Probleme mit Nudelaufläufen, Kindern und Krampfadern. Am Ende des Cityversuchs war das unvermeidliche italienische Eiscafe mit der Cola gurgelnden Jugend. Motorradhelm unterm Arm und die Kreidler unterm Arsch, hockten sie da und rissen schlechte Witze über ihre Mädchen.
    Ich hatte den Wagen an der Hauptstraße geparkt und schlenderte hoch in die Altstadt. Fachwerkhäuser zogen sich hin, wie von Kindern in Förmchen gebacken und angemalt. Makellose Straßen. Nicht der kleinste Hundehaufen verletzte deutsche Sauberkeit. Die Gassen waren bis auf ein paar rosa schimmernde Tee- und

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