Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mehr Bier

Mehr Bier

Titel: Mehr Bier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Arjouni
Vom Netzwerk:
und nassen Kleidern. Alles schwatzte ungeheuer wichtig. Neben mich setzte sich ein hübsches Ding mit langen, schwarzen Haaren.
    »Kalt, was?« Sie schniefte.
    »Mhm.«
    Sie kuschelte sich in ihren Pelzmantel.
    »Von welcher Zeitung kommen Sie?«
    »Meine Frau und dein Auto.«
    »Aha.« Nach einer Pause. »Kenn ich nicht.« Ich zündete mir eine Zigarette an.
    »Kann ich eine haben?«
    Ich gab ihr Feuer. Wir rauchten eine Weile. Was der Anwalt wohl von mir wollte, und warum er mich so früh herbestellt hatte. Sie betrachtete mich von der Seite. Ich lehnte mich zurück und schloß die Augen.
    »Sie sind gar kein Journalist.«
    »Stimmt.«
    »Merkt man.«
    »Aha. Woran?«
    »Na, ja, kein Photoapparat, Sie sagen nichts, kennen niemand und dann schlafen Sie.«
    Sie roch gut. Irgendwas Schweres aus Frankreich.
    »Quatsch. Ich bin Türke. Daran merkt man’s.« Sie trat die Zigarette aus.
    »Vielleicht.« Pause. »Und weshalb sind Sie dann hier?«
    »Ich bin Privatdetektiv. Fragen Sie nicht warum, ich bin’s eben. Ich warte auf jemand.«
    Vor der Tür entstand Unruhe. Kameras wurden eingestellt und Notizblöcke hervorgeholt.
    »Privatdetektiv und Türke. Das soll ich glauben?«
    »Lassen Sie’s bleiben.«
    Es wurde laut. Die Meute wartete darauf, endlich losstürzen zu können. Der Engel rückte näher.
    »Sie leben schon lange in Deutschland?«
    »Mein Vater war einer der ersten türkischen Müllmänner der Republik. Er hatte mich mitgenommen. Ich war ein Jahr alt. Bald darauf wurde er von einem Auto überfahren. Eine deutsche Familie hat mich adoptiert.«
    »Und Ihre Mutter?«
    »Ist bei der Geburt gestorben.« Sie machte in Mitgefühl.
    »Schrecklich.«
    Ich zeigte auf die Tür.
    Im selben Augenblick öffneten sich die Türen zum Gerichtssaal, und die Reporter schossen los. Sie verabschiedete sich und tauchte ein ins Gewühl. Auf dem Gang war mächtiger Lärm. Ich blieb zurück und betrachtete meine aufgeweichten Schuhe. Dann schob auch ich mich in den Saal. Der Anwalt stand einer Gruppe von Journalisten Rede und Antwort. Unentwegt zuckten Blitzlichter. Fernsehkameras kämpften um den besten Platz. In der Ecke machte ein Typ Reportage vor Ort. Gehetzt schrie er ins Mikrofon. Polizisten waren an Fenstern und Türen postiert. Ich setzte mich auf eine Bank. Die nassen Kleider klebten auf der Haut. Von irgendwoher zog es. Ich fror. Ich zündete mir eine Zigarette an und beobachtete den Gerichtsdiener, der mir von drüben mit wedelnden Armen zu verstehen gab, daß Rauchen verboten sei. Zehn Uhr. Fünf Minuten später kam der Anwalt und setzte sich neben mich.
    »Entschuldigen Sie, Herr Kayankaya, aber bei so einem wichtigen Prozeß… man ist auf die Presse angewiesen. Sie verstehen.«
    Rechtsanwalt Anastas war klein und kräftig. Alles an ihm war braun. Der Lockenkranz, der sich um die Halbglatze legte, die Brille auf der Stupsnase, der Anzug, die Schuhe, die Fingernägel. Die Krawatte hing ihm wie ein nasses Handtuch um den Hals.
    »Warum hatten Sie mich für neun Uhr bestellt?«
    Er legte die Stirn in Falten. »Hab ich das? Ich dachte, wir hätten zehn gesagt. Tut mir leid.«
    Er sah nachdenklich in den Saal, der sich leerte. Auch die Bullen packten ihren Kram zusammen.
    »Sie wollten mich sprechen.«
    Er schreckte hoch. »Entschuldigen Sie. Es gehen mir so viele Dinge durch den Kopf. Vielleicht…«
    »Lassen Sie uns einen Kaffee trinken.«
    Er überlegte. Dann griff er sich an die Stirn.
    »Ausgezeichnet, machen wir. Ich habe eine Verabredung im Restaurant um die Ecke. Wie heißt es? Irgendwas mit O. Na, werden wir schon finden, schließlich sind Sie Detektiv.«
    Er lachte und tätschelte mir die Schulter. Mit einem Satz war er auf den Beinen und trabte los. Ich warf mir meinen klammen Mantel über und trottete hinterher.

2
    »Da ist es! Chez Jules. Kein O. Macht nichts. Wir haben es gefunden.«
    Er parkte, und wir gingen hinein. Es war einer dieser Edelkeller, bei denen man Angst haben muß, der Tisch bricht zusammen, wenn man ein anständiges Glas Bier draufstellt. Man ißt Häppchen auf Stühlchen an Tischchen und trinkt aus Gläschen. Alles hat zierliche Beine, die Möbel, die Damen und der Kerzenständer. Man sagt ›Pardon‹, wenn man sich an einem Tisch niederläßt, und ›Tschau‹, wenn man wieder aufsteht. Die Eingeweihten rufen, ›Jules, hast du heute frische Krabben?‹. Jetzt um die Mittagszeit war der Laden voll. Anastas rannte, den Kopf vorgestreckt wie ein Huhn, an den Tischen vorbei und suchte

Weitere Kostenlose Bücher