Mehr Bier
überlegte ich.
»Bei mir oben liegt ein Toter. Das ist kein schöner Anblick. Vielleicht ein andermal… aber ich denke, jetzt nicht.«
Ich ließ sie im Regen stehen.
Dann war ich in meiner Wohnung. Ich packte Schmidi in zwei alte Bettlaken und schleifte ihn auf den Flur. Danach schenkte ich mir ein Glas Chivas ein und lehnte mich ans Fenster. Eine Katze schrie, und auf der Straße brüllte jemand »Rotfront!«
Ich stand noch eine Weile so da und starrte in den Regen.
Januar 1987
REAGAN FORDERT ENDLÖSUNG IN DER PALÄSTINAFRAGE
GADDHAFI TRUG JEANS!
Theo Sontag in seinem politischen Kommentar: War es eine Finte?
ATOMREAKTOR IN BIBLIS UNDICHT
Der Innenminister spricht von ›geringfügiger Verseuchung der umliegenden Bevölkerung‹ und warnt vor ›unbegründeter Panikmache‹.
US-VERTEIDIGUNGSMINISTER VOR DER NATO
›Wir wollen eine Zweitschlagwaffe, die einen Drittschlag unmöglich macht‹.
›DAFÜR SIND UNSERE FRAUEN EHRLICHER‹
Der Bundeskanzler zum Abschluß seiner Asienreise in Bangkok.
EHEMALIGER FRANKFURTER OBERBÜRGERMEISTER STELLT SICH FÜR DAS AMT DES BUNDESPRÄSIDENTEN ZUR VERFÜGUNG.
ERWARTETER RICHTERSPRUCH IM BÖLLIGPROZEß
Die vier Angeklagten wurden jeweils zu einer zweijährigen Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt. Viele Fragen zu der Rolle Herbert Kolleks blieben unbeantwortet. In seinem Plädoyer unterstrich der Staatsanwalt noch einmal
›die eindeutig staatsfeindliche Grundeinstellung der Angeklagten‹.
›…Gladbach verlor durch das Tor der Stuttgarter in der neunundachtzigsten Minute unglücklich mit eins zu zwei‹.
Ich legte die Zeitung weg und warf zwei Aspirin ins Glas. Es war Samstag, zehn Uhr morgens, draußen schneite es wie der Teufel. Neben der Kaffeetasse lagen zwei Briefe, einer von der Staatsanwaltschaft und einer von der Gefängnisverwaltung Preungesheim. Ich riß den von der Staatsanwaltschaft auf und erfuhr meine inzwischen dritte Vorladung im Fall Schmidi. Kessler leistete nach wie vor ganze Arbeit, um mich wegen Mord dranzukriegen. Den von der Gefängnisverwaltung hielt ich eine Weile in der Hand und öffnete ihn dann behutsam. Man teilte mir mit, Nina Scheigel, geborene Kaszmarek, sei in der Nacht zum dritten Januar verstorben. Ihrem Wunsch, mich in diesem Falle zu benachrichtigen, komme man mit dem Brief nach. Ich trank das Aspirin, zündete mir eine Zigarette an und rauchte vor mich hin, bis das Telefon klingelte. Es war Slibulsky.
»Um zwei bei Karate?«
Ich sagte, das ginge in Ordnung, und legte auf. Dann machte ich frischen Kaffee.
Buch
Vier Mitglieder der ›Ökologischen Front‹ sind wegen Mordes an dem Vorstandsvorsitzenden der ›Rheinmainfarben-Werke‹ angeklagt. Zwar geben die vier zu, in der fraglichen Nacht einen Sprengstoffanschlag verübt zu haben, bestreiten aber jede Verbindung mit dem Mord. Nach Zeugenaussagen waren an dem Anschlag fünf Personen beteiligt. Privatdetektiv Kemal Kayankaya soll den verschwundenen fünften Mann zu finden.
Autor
Jakob Arjouni, geboren 1964 in Frankfurt am Main, jobbte nach dem Abitur einige Jahre in Südfrankreich und lebte dann in Berlin. Mit 19 schrieb er seinen ersten Kayankaya-Roman, und für ›Ein Mann, ein Mord‹ erhielt er 1992 den Deutschen Krimi-Preis. Sein Buch ›Idioten. Fünf Märchen‹ stand monatelang auf den Bestsellerlisten. Jakob Arjouni lebt mit seiner Frau und seinen Kindern in Südfrankreich und in Berlin.
Weitere Kostenlose Bücher