Mein Afrika-Tagebuch
Bankmagazins m it schwerer Stahltür und dicken, fenster l osen W änden. Es ist die größte Sam m lung der Welt und weit kostbarer als alle königlichen Klunkerkollektion e n. Fast nie darf ein Nichtexperte in diesen Rau m . Ich fühlte m i ch hoch geehrt.
Alle Stüc k e werden in kleinen Holzkisten aufbewahrt, die in Schränken an den W änden entlang stehen. Eine begeisternde Stunde lang holte Dr. Mbua einen berüh m ten Schädel nach dem anderen heraus: den des ersten Homo habilis, den Louis Leakey 1964 gefunden und den m an lange für unseren ältesten dir e kten V orfahren gehalten hat, dann den berüh m ten Austral o pithec u s b oisei, 1,6 Millionen Jahre alt und 1969 wie durch ein W under völligfrei u n d intakt auf der Erde liegend von Louis’ Sohn Richard entdeckt, sowie den unvergleichlichen Turkanajungen, dessen nahezu ko m plettes Skelett m an in den achtziger Jahren in Nordkenia gefunden und der den W i ssenschaftlern auf einen Schlag m ehr Homo erectu s - Knochen beschert hat als alle vorherigen Funde zusam m en.
Dr. Mbuas kostbarstes Reli k t war der n eunzehn Millionen Jahre alte Schädel eines Aff e n, des so genannten P roconsul.
»In den vierziger Jahren hat m an ihn zum Säubern ins Briti s che M useum ges c hickt«, sa gt e sie, »und dann hat es vierzig Jahre gedauert, bis wir die Leute dort davon überzeugt haben, ihn zurückzuschicken.«
» W aru m ? «, fragte ich.
»Sie wollten ihn unbedingt behalten«, erwiderte sie, doch ihr Lächeln deutete auf verborgene T iefen in der Welt der P aläontologie, von d e ren Existenz ich nichts geahnt hatte.
»Jetzt geben wir nichts m e hr aus dem Museum heraus, absolut nichts. Es ist zu e m pfindlich und kostbar. W enn m an diese ganz besonderen Stücke sehen will, muss m an nach Nairobi kom m en.«
Ich war froh, dass ich das getan hatte.
Es gibt nicht nur deshalb so wenige m e nschliche Überreste, weil Knochen so selten fossilieren, sondern auch, weil nur wenige Landschaften die richtigen Bedingungen zum Erhalt der Fossilien bieten. D ie größte davon ist der Ostafrikanische Graben und dorthin fuhren wir als näc h stes.
Ich hatte mir den Ostafrika n ischen Graben im m er wie einen Cañon vorgestellt, einen verhältnis m äßig engen Rau m , in dem m an sein Echo von den Felswänden widerhallen hört. Aber er ist eine etwa 100 Meilen breite und 4000 Meilen lange, gewalti g e Ebe n e. Endlos, wunderschön und erstaunli c h üppig. W enn man südlich und westlich aus Nair o bi hinausfä h r t, kom m t man an eine Stelle, an der der Boden ein f ach abbricht und sich unter einem die größte offene Fläche ausbreitet, die m an je gesehen hat, der Ostafrikanische Graben. Ein herrlicher Anblick – eine blassgrüne, endlose Weite, die hier und da von Kratern erloschener Vulkane unterbrochen wird, ansonsten aber unendlich, flach und sehr heiß aussieht.
W ir wollten nach Olorgasailie, 60 Meilen hinter den Ngong-Bergen auf dem Talbod e n. Als wir aus dem Auto stiegen, umgab uns eine trockene, nach der relativen Kühle in N airobi um s o überraschendere Gluthitze. 1919 stocherte ein Geologe n a m ens J. W . Gregory hier im Boden herum und stieß auf ein großes Areal m it chara k teristischen uralten, tropfenför m igen Faustkeilen, die zu den so genannten Acheuléen-Faustkeilen gehören. Als Louis L eakey und seine Frau Mary in den vierziger Jahren endlich Grabungen auf d e m Gelände vorneh m en konnten, stellten sie fest, dass Olorgasailie so etwas wie eine Fabrik war, in der die s e W erkzeuge un g efähr eine Million Jahre lang in unzähligen Mengen hergestellt wurden, und zwar von vor 1,2 Millio n en Jahren bis vor 200.000 Jahren. Aber jetzt kom m t ’s: Die Steine, aus denen die Faustkeile hergestellt wurden, gibt es auf der Talsohle des Ostafri k anischen Grabens gar nicht. Sie m u ssten von zwei, beide etwa zehn Kilo m eter entfernten Bergen, dem Ol Esakut und d e m Mount Olorgasailie, dort hinbefördert werden. W a rum diese frühen Menschen sich eine solche Arbeit ge m acht haben und wofür g e nau sie die Werkzeuge benutzten, ist und bleibt e i n Geheimnis. Die Acheuléen- Faustkeile w aren für ihre Zeit hand w erklich wunderschöne Stücke und jeder einzelne verkörperte eine große schöpferische Leistung. Aber zum Schneiden, Z erhacken oder Kratzen waren sie nicht besonders gut geeignet, jedenfalls kaum besser, als es beinahe jeder beliebige, nicht bearbeitete Stein gewesen wäre.
Und trotzdem unterzogen sich eine Million Jahre
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