Mein Bild sagt mehr als deine Worte
dass ich dich nie wiedersehen würde.
»Er hat meinen Rucksack«, sagte sie.
»Evan, gib ihr den Rucksack zurück«, befahl Jack.
»Evan, hol Hilfe. Ich bleib hier. Und du holst Hilfe.«
»Du brauchst Hilfe«, sagte Katie.
Ich zog am Reißverschluss.
Öffnete den Rucksack.
Sie muss es sein.
Drehte ihn um.
Kehrte das Unterste zuoberst.
Krempelte das Leben von uns allen um.
22 A
Hefte.
Drehbleistifte.
Ein Film.
Arbeitsblätter.
Und dann.
Ganz unten.
Jetzt ganz oben.
Du.
22 B
22 C
Wir erstarrten.
Eine Sekunde lang standen wir bei deinem Anblick alle reglos da.
Dann hob ich das Foto auf.
»Das hast du in meinen Rucksack gesteckt«, sagte das Mädchen. Sie drehte sich zu Katie und Jack. »Er hat das da reingetan.«
»Ich weiß nicht, wem ich glauben soll«, sagte Jack.
Ich blickte auf eines der Arbeitsblätter. Ganz oben rechts.
»Dana«, sagte ich. »Dein Name ist Dana.«
»Das ist total krank«, sagte sie. »Du kannst nicht einfach meine Sachen klauen. Ich werd das dem Direktor melden.«
Sie wollte gehen.
Katie stellte sich ihr in den Weg.
»Tut mir leid«, sagte Katie, »aber … ich glaube, du gehst erst mal nirgendwohin.«
Dana drehte sich wieder zu mir. Schien eine Entscheidung zu treffen. Ging auf mich zu und riss mir das Foto aus der Hand.
»Du verdienst sie nicht«, sagte sie. »Keiner von euch hat sie verdient.«
Ich wollte etwas erwidern, aber sie kam mir zuvor: »Hast du dich nie gefragt, wem der Fotoapparat gehörte, Evan? Hast du dich das nie gefragt? Du hast doch gewusst, dass er nicht von ihr war.«
»Lass uns in den Wald gehen und ein paar Fotos machen«, hast du gesagt. »Ich hab einen alten Fotoapparat gefunden.«
»Welchen Fotoapparat?«, fragte Jack. »Wovon redet sie da?«
Wie kam es, dass mich das jetzt am meisten verletzte? Etwas, von dem ich nicht wusste. Von dem du mir nie erzählt hast.
»Sie war da«, sagte ich. »Sie hat alles beobachtet.«
Warum hast du es uns nie gesagt? Warum hast du uns nie davon erzählt?
»Es war mein Fotoapparat«, sagte sie. »Und als ich ihn später zurückhaben wollte, haben ihre Eltern ihn mir gegeben.«
Deine Eltern kannten sie.
»Wer bist du?«, fragte Jack.
»Ich bin ihre beste Freundin«, sagte sie. »Ariels beste Freundin.«
»Nein«, rief ich.
Vielleicht können Freundschaften auch in Fraktale zerbrechen. Vielleicht empfand ich in dem Moment das Gefühl des Verlusts, das einen befällt, wenn man auf einmal nur noch ein Bruchteil dessen ist, was man vorher füreinander war.
Beste Freundin. Bester Freund. Woher kommt dieser Ausdruck eigentlich? Und wer hat daraus einen Wettbewerb gemacht?
Die Abende. Die Abende, an denen du nicht mit uns zusammen warst. Wahrscheinlich warst du da immer mit ihr zusammen.
»Doch. Wir haben total viel Zeit miteinander verbracht. Haben Fotos voneinander gemacht. Sie hat sich sogar ein bisschen in meinen Cousin verliebt, als er mal bei mir auf Besuch war. Du kennst ihn. Hast du ihm nicht sogar E-Mails geschickt? Er heißt Alex.«
Die ganze Zeit. Die ganze Zeit.
»Sie hat mich nicht be–«, sagte Jack.
»Woher willst du wissen, was sie getan hat oder nicht? Du hast doch noch nicht mal gewusst, dass es mich gibt.« Dabei lächelte sie tatsächlich. »Unser kleines Geheimnis. Hat mir echt gefallen, das mit dem Geheimnis. Klang irgendwie cool.«
»Unser kleines Geheimnis.« Das hast du auch zu mir die ganze Zeit gesagt. Wenn wir etwas vor deinen Eltern geheim hielten. Oder vor Jack. Oder vor der ganzen Welt.
»Du hast ja keine Ahnung, wovon du redest«, sagte Jack.
Hatte sie aber. Mehr als nur eine Ahnung. Das konnte ich sehen. Und ich konnte es an ihrer Stimme hören. Sie kannte dich sehr gut. Sie wusste alles von dir.
Sie wandte sich zu ihm mit einem Echo deiner Empörung in der Stimme . »Ich weiß genau, wovon ich rede. Bist du etwa die ganze Zeit mit ihr zusammen gewesen, Jack? Hast du alles über sie gewusst? Ich bin der Beweis dafür, dass es nicht so ist. Aber sie hat mir von dir erzählt, Jack. Und wo ihr euch das erste Mal geküsst habt – na, wie hat dir das gefallen, daran erinnert zu werden? Oder wohin ihr ausgegangen seid. Was ihr miteinander gemacht habt. Wie wenig du verstanden hast, was mit ihr los war. Mir hat sie das alles erzählt, weil ich nämlich verstanden habe, wie sehr sie gelitten hat. Wir waren viel zusammen, vor allem nachts. Wir sind einfach durch die Nacht gegangen und sie hat mir von ihren dunklen Seiten erzählt und ich ihr von meinen. Sie hat
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