Mein feuriges Herz
zurechtgelegten Kleider. Allison bürstete ihr Haar und steckte die Locken seitlich mit Schildpattkämmen fest.
„Das ist ja lächerlich“, brummte Corrie übellaunig. „Meine Schränke in London sind zum Bersten voll. Ich brauche weiß Gott keine neuen Kleider.“
„Woher soll der Earl das denn wissen? Er hält dich für Letty Moss, hast du das schon vergessen?“
Corrie stöhnte gequält.
„Nun geh endlich.“ Schweren Herzens fügte Corrie sich in ihr Schicksal und machte sich auf den Weg. Unten an der Treppe stand die Haushälterin Mrs. Kittrick, eine grobknochige, vollbusige Frau mit einem graumelierten strengen Nackenknoten.
„Sie werden im blauen Salon erwartet. Wenn Sie mir bitte folgen wollen.“
Gehorsam folgte Corrie der energischen Frau, die sich selten in den oberen Räumen blicken ließ und ständig in der Küche werkelte. Eine bienenfleißige Frau, wobei Corrie allerdings bezweifelte, dass Rebecca ihre Tüchtigkeit zu schätzen wusste.
Mrs. Kittrick führte sie in einen großen Raum im älteren Teil des Schlosses, dessen Deckenmalereien aus der Renaissance stammten. Pausbäckige Putten flatterten auf duftig weißen Wolken in einem azurblauen Himmel.
Tremaine wartete neben einer gertenschlanken, elegant gekleideten Frau, deren dunkles Haar mit Silberfäden durchzogen war.
„Hier bin ich – Ihrem Wunsch gehorchend“, sagte Corrie zur Begrüßung. „Aber es ist nicht nötig, dass Sie mir neue Kleider kaufen.“ Sie zwang sich, ihm ins Gesicht zu sehen, verdrängte jeden Gedanken an letzte Nacht und hoffte inständig, dass sie nicht errötete.
„Ich bin anderer Meinung“, entgegnete er. „Wenn Sie sich entsinnen, haben Sie sich eines Ihrer Kleider bei der Rettung des Straßenköters ruiniert. Vermutlich verfügen Sie nicht über eine umfangreiche Garderobe, die im Übrigen längst ausgedient hat, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf.“ Seine verschlossene Miene hellte sich ein wenig auf. „Ich möchte Ihnen ein paar neue Kleider schenken, Letty, und ich kann es mir weiß Gott leisten. Schlagen Sie mir den Wunsch nicht ab.“
Corrie kam sich vor wie eine Hochstaplerin. In Wahrheit war sie eine der bestangezogenen jungen Damen in ganz London, war stolz auf ihren erlesenen Geschmack und wurde allseits dafür bewundert. Wie konnte sie zulassen, dass der Earl Geld an eine Frau verschwendete, die im Überfluss lebte und in sein Haus gekommen war, um ihn des Mordes zu überführen?
Sie überlegte fieberhaft, wie Letty auf diese peinliche Situation reagieren würde. Spontan griff sie nach seiner Hand. „Bitte, Mylord, es hat mich sehr viel Überwindung gekostet, mich an Sie um Hilfe zu wenden. Sie tun mir einen großen Gefallen, wenn Sie mich nicht zwingen, Ihre Großzügigkeit noch mehr in Anspruch zu nehmen. Ich würde mich in diesen neuen Kleidern nicht wohlfühlen.“
Gray reagierte verdutzt. Keine Frau seines Bekanntenkreises würde ein solches Angebot ausschlagen. „Aber Sie brauchen neue Kleider, Letty.“
„Bald verfüge ich über eigenes Einkommen und kann mir kaufen, was ich brauche.“
Er furchte die Stirn. „Sind Sie sicher? Die meisten Frauen würden sich über ein solches Geschenk freuen.“
„Ich bin nicht wie die meisten Frauen, Mylord.“
„Nein“, sagte er in diesem tiefen weichen Tonfall, der ihr Inneres in Aufruhr versetzte. „Nein, das sind Sie gewiss nicht.“ Er wandte sich an die Schneiderin. „Tut mir leid. Ich werde Sie natürlich für den Aufwand entschädigen, Madame.“
Die elegante Französin nickte höflich. „Merci, Monsieur.“
Corrie wartete, bis sie ihren Nähkorb wieder eingepackt und ihre Gehilfin einen Koffer mit Stoffmustern geschlossen hatte und die beiden das Zimmer verließen.
„Vielen Dank, Mylord“, sagte sie dann.
Gray nickte knapp und betrachtete sie mit einem Anflug von Bewunderung, wie ihr schien.
Und Corrie wurde sich plötzlich bewusst, wie sehr ihr daran gelegen war zu beweisen, dass Gray Forsythe am Tod ihrer Schwester unschuldig war.
Am folgenden Morgen regnete es, aber bis Corrie ihre Morgentoilette beendet hatte und ausgehbereit war, hatte sich die Wolkendecke gelichtet, und die Sonne strahlte über die wogende grüne Hügellandschaft.
Auch Corries Stimmung hob sich. Bevor sie sich auf den Weg ins Dorf machte, besuchte sie Homer im Stall, der sie freudig begrüßte und an dem Verschlag seiner Box hochsprang.
„Homer ist nicht gerne eingesperrt“, sagte Dickey Michaels, der schlaksige Stallbursche, und
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