Mein feuriges Herz
Cotswold-Naturstein.
Coralee, Agnes und Allison reisten in der Kutsche der Tante, nicht in der eleganten vierspännigen Karosse des Viscounts. Denn Coralee wollte vermeiden, dass der Kutscher ihrem Vater berichtete, seine Tochter sei vor der Ankunft in Selkirk Hall ausgestiegen. Sie beabsichtigte nämlich, sich im Dorfgasthof, der zugleich Poststation war, für eine Nacht einzuquartieren, um am nächsten Morgen als eine andere Frau ihr Ziel zu erreichen.
Es war noch keine Woche her, dass Corrie sich den verwegenen Plan zurechtlegte, den sie Tante Agnes und Allison vor drei Tagen unterbreitet hatte.
„Es wird klappen – ich weiß, dass es klappt!“
Tante Agnes drehte ihr Spitzentuch zwischen den Fingern. „Ich weiß nicht, Coralee … das scheint schrecklich gefährlich zu sein.“
„Sei unbesorgt, Tantchen. Erstens wird niemand wissen, wer ich bin“, erklärte Coralee geduldig. „Ich trete als Letty Moss auf, die Ehefrau eines entfernten Vetters von Lord Tremaine, eines gewissen Cyrus Moss. Letty lebt in bitterer Armut, seit sie von ihrem Ehemann verlassen wurde, und wendet sich in ihrer Verzweiflung an den Earl um Unterstützung.“ Eine Geschichte, die glaubhaft klang, da beinahe täglich verzweifelte Ehefrauen von ihren Männern im Stich gelassen wurden.
Corrie war bei ihren Recherchen über den Earl und seine Familie auf interessante Fakten gestoßen. Durch eine Bekannte, die ihrerseits eine Freundin hatte, die einen entfernten Vetter des Earls kannte – jenen gewissen Cyrus Moss –, hatte sie erfahren, dass dieser Cyrus seine wesentlich jüngere Ehefrau in York zurückgelassen hatte, um in Amerika sein Glück zu suchen. Nach zwei Jahren war Cyrus immer noch nicht wieder in York bei seiner Frau aufgetaucht.
Ihre Informantin hatte Corrie versichert, dass Lord Tremaine dieser Letty Moss nie begegnet war und kaum etwas über seinen entfernten Verwandten wusste. Diese Tatsachen gaben Corrie einen perfekten Vorwand, auf Castle Tremaine vorzusprechen und um Unterkunft zu bitten. Auf diese Weise wollte sie herausfinden, ob Lord Tremaine der Vater von Laurels Kind war. Sollte sich das bestätigen, würde sie ihrem Verdacht nachgehen und herauszufinden versuchen, ob er für den Tod von Mutter und Kind verantwortlich war.
„Es wird gelingen, ich sage es euch. Es muss gelingen.“
Tante Agnes hatte seufzend ihre Bedenken angemeldet, schließlich aber klein beigegeben und dem Plan zugestimmt.
Corrie blickte sinnend in die Landschaft, die am Wagenfenster vorüberzog – sanft ansteigende Hügel, vereinzelte Gehöfte, weidende Schafe. Gelegentlich bellte ein Hund, und die Kutsche zog an Ochsenfuhrwerken vorbei.
„Ich begreife nicht, wie du damit Erfolg haben willst“, jammerte Tante Agnes besorgt. „Irgendwer aus Selkirk Hall oder ein Dorfbewohner wird dich erkennen.“
„Ich war als Zwölfjährige zum letzten Mal in Selkirk. Mama und ich ziehen es vor, in London zu leben, wie du weißt.“
Um jeden Verdacht auszuschließen, sie könne etwas mit den Ereignissen auf Selkirk zu tun haben, hatte Corrie ihre Trauerkleider abgelegt in der Überzeugung, im Sinne ihrer älteren Schwester zu handeln. Laurel hätte gewiss den Wunsch, dass die Wahrheit über ihren tragischen Tod ans Tageslicht käme.
Tante Agnes sah Corrie eindringlich an. „Hast du dir überlegt, dass du bei deinen Nachforschungen möglicherweise Dinge erfährst, die du gar nicht wissen willst?“
Mit dieser Möglichkeit musste sie in der Tat rechnen. Aber Corrie wollte darauf vertrauen, dass Laurel unschuldig in eine Liebesaffäre geraten war, wovon sie ohnehin überzeugt war.
„Damit befasse ich mich erst, wenn sich diese Frage erheben sollte.“
„Und die Gefahren?“, fuhr Agnes beharrlich fort. „Falls der Earl tatsächlich ein Mörder ist, was könnte ihn daran hindern, auch dich zu töten?“
Corrie wischte die Bedenken ihrer Tante mit einer unwirschen Handbewegung zur Seite, obgleich auch ihr dieser Gedanke durch den Sinn gegangen war. „Tremaine weiß doch nicht, wer ich bin. Falls er seine Frau getötet hat, hat er es wegen ihres Vermögens getan. Und falls er auch Laurel und Joshua auf dem Gewissen hat, hat er es getan, um seine Freiheit zu behalten, vielleicht auch, um seine Familie vor einem Skandal zu bewahren. Da ich lediglich eine entfernte, verarmte Verwandte bin, besteht keinerlei Grund, auch mich aus dem Weg zu räumen.“
„Und außerdem bin ich an ihrer Seite“, fügte Allison leise hinzu, die sich bereit
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