Mein Freund Dewey, der beruehmteste Kater der Welt
Kinder ihn festhielten. Er war derjenige, der sich jemanden aussuchte. Und jede Woche war es ein anderes Kind. Sobald er sich für einen Schoß entschieden hatte, blieb Dewey gewöhnlich die ganze Stunde lang ruhig sitzen. Es sei denn, es wurde ein Film gezeigt. Dann nämlich sprang er auf einen Tisch, faltete die Pfoten unter seinem Körper und sah interessiert auf den Bildschirm oder die Leinwand. Sobald der Nachspann be gann, sprang er gelangweilt vom Tisch. Bevor die Kinder auch nur fragen konnten: »Wo ist Dewey?«, war er schon verschwunden.
Dewey eroberte sogar die Herzen der älteren Kinder. Die Mittelschule von Spencer befand sich genau gegenüber der Bibliothek und ungefähr 50 Schüler blieben nach der Schule immer für ein paar Stunden bei uns, solange ihre Eltern noch beim Arbeiten waren. An den Tagen, an denen sie nachmittags wie ein Hurrikan hereinstürmten, ging Dewey ihnen aus dem Weg, und besonders den Rowdys, die fanden, Katzen seien nicht cool. Wenn sie aber ruhiger waren, mischte sich Dewey durchaus unter sie.
Unser Kater hatte unter den Mittelschülern viele Freunde. Sie streichelten ihn und spielten mit ihm. Zum Beispiel rollten sie für ihn Bleistifte über den Tisch und freuten sich an seinem überraschten Gesichtsausdruck, wenn die Stifte verschwanden, weil sie auf den Boden fielen.
Ein Mädchen ließ aus ihrem Jackenärmel einen Stift herauslugen. Dewey jagte dann den Stift den Ärmel hinauf und weil es ihm in dem engen, dunklen Ärmel gut gefiel, machte er darin anschließend oft ein Nickerchen. Dann ragte nur noch sein Kopf aus dem Ärmel, wie eine Bratwurst aus einem Brötchen.
Es gab aber auch ein Kind, das Dewey aus dem Weg ging. Als Dewey zu uns kam, war sie vier. Ihre Mutter nahm sie und ihren älteren Bruder einmal in der Woche mit in die Bücherei. Ihr Bruder liebte Dewey, aber das kleine Mädchen war immer nervös und angespannt, sobald der Kater in die Nähe kam. Eines Tages vertraute die Mutter mir an, dass ihre Tochter sich vor allen vierbeinigen Tieren fürchtete, besonders vor Katzen und Hunden.
Was für eine Gelegenheit! Ich wusste, dass Dewey diesem Mädchen helfen konnte, ihre Angst zu überwinden. Ich schlug vor, das Kind behutsam an ihn zu gewöhnen: Zuerst sollte es Dewey nur durch eine Glasscheibe hindurch anschauen, später könnte es Begegnungen unter Aufsicht geben.
»Das ist der richtige Job für unseren freundlichen, liebenswerten Dewey«, erklärte ich der Mutter.
Ich hatte mich in das Projekt etwas hineingesteigert und auch schon Bücher herausgesucht, die der Kleinen helfen sollten, ihre Angst zu überwinden.
Ihre Mutter ließ sich von meinen Theorien jedoch nicht überzeugen. Ich richtete mich nach ihren Wünschen. Wenn das Mädchen vor der Tür stand und der Bibliothekarin am Ausgabetisch zuwinkte, suchten wir nach Dewey und sperrten ihn in mein Büro. Dewey hasste es, eingeschlossen zu werden, besonders wenn Besucher da waren.
Ihr braucht mich nicht einsperren, hörte ich ihn maunzen. Ich kenne sie! Ich werde mich von ihr fernhalten!
Ich schloss ihn nicht gerne ein und es tat mir leid, dass er diesem Kind nicht das Leben verschönern durfte. Aber was sollte ich tun? Ich wollte nichts erzwingen. Alles würde sich von alleine einrenken.
Mit diesem Gedanken im Hinterkopf plante ich eine kleine, schlichte Feier zu Deweys erstem Geburtstag: Nur ein Kuchen aus Katzenfutter für Dewey und einen normalen für die Besucher. Wir kannten Deweys richtiges Geburtsdatum nicht, doch bei seiner ersten Untersuchung hatte Dr. Esterly ihn auf acht Wochen geschätzt. Zurückgerechnet müsste er Ende November zur Welt gekommen sein. Weil wir Dewey am 18. Januar gefunden hatten und der 18. also sein Glückstag sein musste, bestimmten wir den 18. November zu seinem offiziellen Geburtstag.
Eine Woche vor der Party legten wir eine Liste aus, in die sich alle eintragen konnten, die kommen wollten. Nach nur wenigen Tagen waren auf der Liste über hundert Unterschriften. In der folgenden Vorlesestunde malten die Kinder Bilder von Geburtstagskuchen aus. Vier Tage vorher hängten wir die Bilder an einer Wäscheleine hinter dem Ausgabetisch auf. Die Tageszeitung brachte einen Artikel über Dewey, und die ersten Geburtstagskarten trafen ein. Ich konnte es kaum glauben: Die Leute schickten einer Katze Geburtstagskarten!
An dem großen Tag selbst hüpften die Kinder vor Aufregung auf und ab. Eine andere Katze hätte das eingeschüchtert, doch Dewey war so ruhig wie immer.
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