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Mein grosser Bruder

Mein grosser Bruder

Titel: Mein grosser Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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auf den Waldwegen.“ Wir zogen los.
    Bentsen war nett und gemütlich, machte nicht den geringsten Versuch, mich zu hofieren.
    Wir fuhren nach Hoytorp, einem bekannten Ausflugsziel. Dort gibt es eine herrliche Aussicht und ein nettes kleines Café. Wir tranken eine Tasse Kaffee und gingen zu Fuß weiter.
    „Du hast wohl nichts dagegen, daß wir bei diesem schönen Wetter anderthalb Stunden wandern, Vivi?“
    „Etwas dagegen? Wunderliche Frage! Was soll das übrigens heißen, daß du hier ein Grundstück kaufen willst?“
    „Ich habe daran gedacht, mir eine kleine Hütte zu bauen. Mir gefällt diese Gegend, und das Grundstück ist hübsch. Warte nur, bis du es gesehen hast.“
    Wir wanderten durch den frühlingsfrischen Wald. Hier und da lag noch ein schmutziger Schneerest unter den Büschen; an anderen Stellen sproß schon helles Grün.
    „Warum schleppst du eigentlich diese Aktenmappe die ganze Zeit mit dir herum?“ fragte ich.
    „Warte ab, du wirst schon sehen, du Naseweis“, lachte Helge.
    Kurz danach jubelte ich laut vor Freude und bückte mich, um die ersten haarigen Leberblümchenknospen zu pflücken.
    „Na, habe ich zuviel versprochen?“ lächelte Bentsen. „Du siehst übrigens selber aus wie ein kleines Leberblümchen.“
    „Und du? Vielleicht wie ein großer Löwenzahn?“
    „Paß nur auf, vielleicht beißt der Löwe mit seinem Zahn.“
    „Ich bin nicht bange. Löwen sind keine Vegetarier. Die, fressen Gazellenfleisch lieber als Leberblümchen.“
    „Ich kann dich ja auch meine kleine Gazelle nennen.“
    „Erstens bin ich nicht klein, zweitens keine Gazelle und drittens nicht dein.“
    „Aber vielleicht kannst du das werden.“ Ich erhob mich, die Hände voller Leberblümchen. „Du redest Unsinn. Laß uns weitergehen.“ Es sah aus, als ob er etwas sagen wollte. Dann schien er es sich aber anders zu überlegen. Mit einem Lächeln ging er weiter und ließ den Frühlingswind in seinem braunen Haar wühlen. Hübsch war er, das konnte man nicht leugnen. Warum in aller Welt konnte ich mich nicht auch ein bißchen für ihn begeistern. Es wäre doch so wunderbar praktisch gewesen.
    Wenn ich nun Torsten nicht begegnet wäre? Wenn mein Herz mir nicht diesen dummen Streich gespielt hätte? Ob ich mich dann wohl hätte in Helge Bentsen verlieben können?
    Warum konnte ich mich nicht überwinden und vernünftig handeln? Warum sollte diese idiotische Geschichte mit Torsten meine Zukunft ruinieren? Wie froh würde Johannes sein, wenn ich mich mit Helge Bentsen verlobte!
    Ich war so tief in meine Gedanken versunken, daß ich gar nicht merkte, wie weit wir gegangen waren. „Na, Vivi, so nachdenklich?“
    Sein Ton war warm und herzlich. Er nahm meine Hand. „Meine kleine Gazelle.“ Wir waren eine gemächliche Steigung hinaufgegangen. Und nun waren wir auf der Höhe. Über dem Höhenkamm lief zwischen Felsbrocken und Gebüschen ein Pfad. Er mündete in einen Weg zum Nachbarort.
    Und hier, unterhalb des Höhenkammes, lag eine Rodung, eine kleine grüne Fläche neben einem Bach. Mitten darauf stand eine baufällige Hütte.
    Ich lachte. „Das Grundstück ist gut, aber die Villa da…“
    „Ja, ,Villa’ ist gut. Nun, wenn ich das Grundstück kaufe, soll dies ein Holzschuppen werden oder das Häuschen mit dem Herzen. Übrigens: ganz so schlimm ist die Villa gar nicht, komm und sieh sie dir an.“
    Er nahm einen Schlüssel aus der Tasche und öffnete.
    Ich betrat einen kleinen Raum, beileibe nicht luxuriös, aber sehr behaglich. Ein Tisch, eine Bank, ein paar Hocker und ein offener Kamin. „Hier ist es ja beinahe herrschaftlich“, rief ich. „Nur ein bißchen kalt. Ob wir irgendwo Brennholz für den Kamin finden?“
    Tatsächlich entdeckten wir bald ein paar Äste, die einigermaßen trocken aussahen.
    Aus der Aktentasche holte Helge eine Konfektschachtel. Das Einwickelpapier nahmen wir zum Anzünden. Das Konfekt kam ebenfalls sofort zur Verwendung. Die Wanderung hierher hatte mich hungrig gemacht. „Wie herrlich, Helge! Du verwöhnst mich.“
    „Findest du? Wenn du mir nur Gelegenheit gäbst, dich richtig zu verwöhnen.“
    Ich setzte mich auf die Schwelle der offenen Tür. Unter mir breitete sich der Wald aus, und weit, weit weg lag die Stadt unter einem Nebelschleier.
    „Bist du hungrig, Vivi? Vielleicht hätte ich Proviant mitbringen sollen. Aber wir essen ja auf Hoytorp zu Mittag, und von dort holt uns ein Taxi ab.“
    „Du hast ein großartiges Organisationstalent!“ lachte ich.
    „Nicht wahr?

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