Mein Hauptgewinn bist du!
dachte, du könntest vielleicht Appetit haben.“
„Ich sterbe fast vor Hunger“, gestand sie. „Was wird das denn?“
„Pastasoße mit ausschließlich frischen Zutaten.“
„Wow, und ich dachte, du hättest eine Art Leibkoch.“
Ein Kopfschütteln. „Nur in Ausnahmefällen. Ich habe nicht gern andauernd irgendwelche Menschen um mich.“
Autsch! Zählte er sie etwa auch dazu? Und falls noch nicht, würde sie bald in diese Kategorie gehören?
Cara setzte sich auf einen der hohen Barstühle und probierte die Pasta, die Jack inzwischen auf zwei große Teller verteilt und mit der duftenden Soße übergossen hatte. Zuletzt hobelte er noch frischen Parmesan darüber.
„Sehr gut“, urteilte Cara nach dem ersten Bissen.
„Tut mir leid wegen heute Morgen“, sagte Jack unvermittelt.
„Muss es nicht“, erwiderte sie, ohne von ihrem Teller aufzuschauen. „Es ist das, was du offenbar fühlst.“
„Normalerweise rede ich mit niemandem darüber.“
Ihr Herzschlag beschleunigte sich. „Ich freue mich, dass du das Gefühl hattest, dich mir anvertrauen zu können“, formulierte sie vorsichtig, um ihn nicht gleich wieder zu verschrecken.
„Aber es ist so … ekelhaft, Cara!“, stieß er rau hervor. „Was passiert ist und was ich fühle …“
Spontan griff sie nach seiner Hand und presste sie an ihre Lippen. „Es ist nicht deine Schuld“, flüsterte sie.
Bevor er wieder nach seiner Gabel griff, strich Jack Cara noch einmal sanft über die Wange. „Ich weiß das … jetzt. Aber es hat eine sehr lange Zeit gedauert, bis ich glauben konnte, dass nicht ich verantwortlich für Williams unkontrollierte Wutausbrüche war. Weil ich sie immer vorher kommen gesehen habe, konnte ich den meisten erfolgreich ausweichen, aber die anderen …“ Er schluckte und schüttelte hilflos den Kopf. „Ich habe versucht, sie zu warnen, doch es hat nie funktioniert. Und dann Annabelle …“
Beim Gedanken an die wunderschöne, beherrschte junge Frau, die ihre Narben ihrem Vater verdankte, schauderte Cara. Was musste sie erst jeden Tag ihres Lebens fühlen und durchmachen, wenn ihr Bruder schon bei dem Gedanken an die schreckliche Tortur verzweifelte, die ihr zugefügt worden war?
„Er hat bewusst ihre Schönheit zerschlagen, weil sie es gewagt hatte, sie voller Unschuld zur Schau zu tragen. Dabei hatte sie nur versucht, sich für eine Dorfparty aufzustylen. Als William sie im Minirock mit High Heels und roten Lippen sah, ist er völlig ausgerastet.“ Jack holte tief Luft. „Ich war nicht da, und als ich nach Hause kam, war schon alles vorbei. Nathaniel und Sebastian hatten vergeblich versucht, ihn aufzuhalten, aber sie waren zu jung und zu schwach. Dann tauchte Jacob auf und schlug ihn nieder.“
Dass er seinen Vater nur beim Vornamen nannte, sagte Cara genug. Anfangs hatte es sie verwirrt, aber inzwischen verstand sie. Jack hatte nie einen Vater gehabt. Und schon gar keinen Dad oder Daddy .
„Ich verstehe dich inzwischen viel besser, Jack. Aber jetzt ist er tot, und das wie und warum spielt keine Rolle mehr.“ Auch sie konnte nicht Vater sagen.
„Trotzdem habe ich immer noch das Gefühl, ich hätte mehr für die anderen tun müssen. Wenn er durch meine Hand umgekommen wäre, hätte Jacob nicht …“
„Was hätte er nicht“, hakte Cara nach, als er abbrach.
Jack schüttelte den Kopf. „Ich … er hätte nicht gehen müssen. So, jetzt iss aber, ehe die Pasta ganz kalt ist.“
Zwar hätte sie gern weitergeredet, weil sie glaubte, dass Jack kurz davor war, ihr noch mehr anzuvertrauen, doch sie wollte ihn nicht drängen. Nicht heute.
Nach dem Essen wusch sie das Geschirr ab, während Jack einen Espresso zubereitete. Sie tranken ihn auf der Terrasse, zusammen mit einem milden Grappa. Danach gingen sie ins Bett und schliefen dicht aneinandergeschmiegt ein.
Alles erschien ruhig und friedvoll, doch Cara ließ sich nicht täuschen. Dies war nur die Ruhe vor dem Sturm. Und wenn der ausbrach, würde der Schmerz folgen.
Nach langer Zeit hatte Jack wieder einmal tief und fest geschlafen.
Cara lag immer noch weich und warm an seiner Brust in süßen Träumen, während er nicht aufhören konnte zu grübeln. So intensiv hatte er seit Ewigkeiten nicht nachgedacht, und er wusste nicht, wie er die Gedankenflut stoppen sollte.
Dauernd sah er das Gesicht seines ältesten Bruders vor sich – sah, wie Jacob ihn neulich in der Bar angeschaut hatte. Was hatte er ihm wohl nach all den Jahren sagen wollen? Glaubte er
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