Mein Herz in Deinen Händen
verlässt du mit einem solchen Affenzahn die Stadt, dass du Reifenspuren auf dem Highway hinterlässt, und mich lässt du hängen.«
Er knüllte das Papiertuch zu einem Ball zusammen und warf es mit Schwung in den Mülleimer. »Es hieß, ich hätte dich vergewaltigt.«
Ihr Kopf schoss zu ihm herum. »Vergewaltigt!«
»Mrs Dreiss hat das jedenfalls gedacht. Sie hat mich hierher zitiert und mich fast in der Luft zerrissen …«
»Ich spreche dich frei. Du hast mich nicht vergewaltigt.«
Pepper sah überall hin, nur ihn sah sie nicht an. »Könnten wir von etwas anderem sprechen?«
Ganz bestimmt nicht . Er hatte zu viele Jahre lang auf diese Gelegenheit gewartet. Warum, zur Hölle, war sie davongelaufen? »Ich weiß, dass es nicht gut war«, sagte er.
»Bitte, sei still.«
»Das Lustige an der Sache ist, dass ich es schon damals besser gekonnt hätte. Aber ich wollte dich schon so lange, ich habe die Kontrolle verloren. Irgendwo in meinem Hinterkopf war es mir peinlich, dass ich mich wie ein Trampel aufgeführt habe, aber ich bin vor Lust fast vergangen.«
»Still!« Sie sah sich um, als ob jemand sie hören könne.
Er sprach unerbittlich weiter. »Du warst noch Jungfrau. Ich war geil und unbeholfen …«
»Nein, das warst du nicht!« Ihre Stimme war leise und eindringlich. »So ist es nicht gewesen!«
Er kniete immer noch vor ihr. »Warum bist du dann abgehauen?«
»Es war das, was du hinterher gesagt hast!«
Er hob den Kopf, versuchte sich zu erinnern. Er war halb betrunken gewesen und absolut hingerissen von ihr. Er konnte sich nur an einen kläglichen Versuch, sie zu trösten, erinnern, ein paar gemurmelte Worte. Doch er bluffte, tat so, als entsinne er sich. »Und deshalb warst du beleidigt, warum?«
Sie versuchte zu sprechen, machte die Augen zu, versuchte erneut zu sprechen und stotterte: »Du … du arroganter Idiot. Du hast dich kein bisschen verändert. Aber mach dir keine Gedanken deswegen. Vergiss es einfach.«
Sie würde ihm keinen Hinweis geben, zumindest jetzt nicht, also stand er auf. Sollte sie ruhig wieder realisieren, wie groß er war. Sollte sie ruhig nervös werden.
»Du hast mich hängen lassen, und ich musste mich meinem Vater stellen, Mrs Dreiss und der ganzen Stadt.« Sogar jetzt kotzte ihn das noch an.
»Keiner hat etwas gewusst«, wiederholte sie.
»Als ich mit Saufen und Prahlen fertig war, schon.«
Sie zog die Augen zusammen. »Selber schuld.«
Sie war dünner geworden. Sie trug nicht die geringste Spur Make-up. Ihre Stirn und ihre Nase waren sonnenverbrannt, ein fleckiges Rot verunzierte ihre helle, sommersprossige Haut. Sie trug ein beiges, langärmeliges Hemd und passende Hosen, billige Kleider, wie man sie im Supermarkt kaufte. Langweilige Farben, als lege sie es darauf an, unscheinbar zu wirken. Die Hose war ihr ein wenig zu lang. Der Saum war zerrissen, als sei sie weit zu Fuß gelaufen und die ganze Zeit darauf getreten. Und sie war nervös wie eine Katze beim Silvester-Feuerwerk.
Außerdem war sie müde – die beste Zeit, einen Verdächtigen zu befragen. Er trat einen Schritt zurück und wechselte das Thema, etwas nicht so Persönliches, aber auf einer anderen Ebene durchaus von Bedeutung. »Und was hast du gemacht?«
Sie fragte zu schnell zurück: »Was meinst du damit?«
Interessante Reaktion. »Um deinen Lebensunterhalt zu verdienen?«
Er sah, wie sie sich entspannte. »Ich bin Gartenbauarchitektin.« Sie löffelte Zucker in den Kaffee und rührte um.
»Scheint nicht so gut zu laufen, schätze ich mal, sonst wärst du nicht hier.«
Zorn überkam sie, erhellte ihr Gesicht und ließ die alte Pepper von innen heraus leuchten. »Vielleicht bin ich hergekommen, weil ich damit angeben will.«
»Vielleicht.« War sie in ihrem Beruf erfolgreich? Falls ja, warum hatte sie dann keine Sachen an, mit denen sie hätte angeben können? Was machte sie hier? Und um es auf den Punkt zu bringen: »Wie bist du hergekommen?«
Sie holte Luft. »Hergekommen?«
Sie hatte verstanden, aber sie wollte Zeit schinden. Er wartete kommentarlos, weil er aus Erfahrung wusste, dass Schweigen half, wo Worte nichts ausrichten konnten.
Er sollte Recht behalten. Sein Schweigen verunsicherte sie, und sie erwiderte hastig: »Ich hatte ein paar Meilen die Straße hinunter einen Unfall. Ich musste zu Fuß herlaufen.«
»Bist du in Ordnung?« Das war sie. Er wusste, dass sie es war. Sie bewegte sich schmerzfrei.
»Es geht mir gut.«
Aber sie wollte nicht erzählen, was passiert war.
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