Mein Herz in Deinen Händen
aber hinter Hope zurück und hatte den gleichen Blick wie damals, bevor Mama ihn in die Familie geholt hatte.
Pepper in die Arme schließend sagte Hope: »Leise, du weckst das Baby. Leise, Pepper, du machst dich noch selber krank. Leise …« Sie wiegte Pepper in den Armen.
Aber Pepper stand stocksteif da, einen Fuß auf den anderen gestellt, das dünne Nachthemd auf der klammen Haut klebend, und musste einfach heulen. Ihre Mama … sie hatten gesagt, dass ihre Mama tot war. Ihr Daddy … nein! Sie hatte ihn heute Morgen doch gesehen. Er hatte müde ausgesehen, aber er hatte ihr einen Kuss gegeben und gesagt, sie solle brav sein. Das sagte er jeden Morgen, wenn sie zur Schule ging, und sie war es nie. Jetzt war er … jetzt sollte er tot sein? Ihre Mama? Zerschmettert? Fort? Tot?
Hope hob sie hoch, brachte sie in ihr Schlafzimmer und sagte die ganze Zeit: »Leise, leise, meine Süße, du weckst das Baby, du machst dich noch selber krank, nicht weinen, nicht weinen.«
Pepper war nicht der Ansicht, dass sie weinte. Sie hatte schon öfters geweint, aber so hatte es sich nicht angefühlt. Dieser reißende Schmerz in der Magengegend, das Hämmern in ihrem Kopf und überall … Leere.
Die beiden Mädchen saßen auf Peppers Bett.
Gabriel stand unter der Tür. »Kann ich euch helfen?«, fragte er, doch er wirkte unbeholfen und irgendwie deplatziert.
Natürlich. Er lebte erst seit ein paar Jahren hier. Daddy und Mama waren nicht seine richtigen Eltern. Er wusste nicht, was er tun sollte.
Pepper schluchzte heftiger. Gabriel war ihr Bruder, er war derjenige, der sie verstand, wenn niemand sonst sie verstand. Doch jetzt war alles anders, in Auflösung, zerstört.
Ihr Leben war zerstört.
Hope nahm Pepper bei den Schultern und hielt sie fest. Sie beugte sich hinab, bis sie auf Peppers Augenhöhe war, sah sie an und sagte: »Hör zu, Pepper. Hör zu. Hör zu.«
Pepper beruhigte sich ein bisschen. Nur ein bisschen. Der Schmerz im Bauch war immer noch da. Sie wusste, das war nur die Ruhe vor dem nächsten Sturm. Aber sie hielt den Atem an und hörte zu.
1
Georgetown, Washington, D.C.
Anfang Juni
Siebzehn Jahre später
Jackie Porter hoffte, dass sie sich nicht lächerlich machen und vor ihrem Idol auf die Knie fallen würde, um den Saum ihres Gewandes zu küssen. Die Möglichkeit bestand, und Jackie begegnete ihr mit einer Mischung aus Entsetzen und Belustigung, aber was sollte sie machen? General Jennifer Napier war genau, wie Jackie in zwanzig Jahren sein wollte – eine Frau, die aus eigener Kraft erfolgreich war.
Jackie wäre gleichfalls aus eigener Kraft erfolgreich. Während sie sich Stück für Stück mit der Schlange nach vorne schob, die sich durch den schicken Buchladen in Georgetown wand, umklammerte sie die abgegriffene Autobiographie der Generalin und eine Ausgabe ihrer neuesten Veröffentlichung, ein Buch, in dem General Napier exakt erläuterte, welche Prinzipien sie zum Erfolg geführt hatten. Jackie hatte sich immer an den Hoffnungsstrahl geklammert, den General Jennifer Napier ihr geschenkt hatte.
General Napier hatte ihre Eltern unter schrecklichen Umständen verloren – genau wie Jackie. Sie war in den verschiedensten Pflegefamilien groß geworden – genau wie Jackie. Sie hatte in ihrer Jugend Fehler begangen; Fehler, die so schrecklich waren, dass sie nicht mehr glaubte, sich je von der Schmach und der Schande zu erholen – genau wie Jackie. Doch sie hatte ihr Leben geändert, war nach West Point gegangen, den Streitkräften beigetreten, und jetzt war sie der ranghöchste weibliche General der U.S. Army.
Jackie sah zu dem großen Foto über dem Tisch auf, an dem General Napier die Bücher signierte.
General Jennifer Napier war fünfundfünfzig, eine attraktive Frau mit stechend blauen Augen und ergrauendem Haar, das sie unter der Uniformmütze hochgesteckt trug. Sie trainierte jeden Morgen und hielt ihren Körper eisern in Bestform. Sie war eine ausgezeichnete Scharfschützin. Sie lebte nach den Grundsätzen der Selbstdisziplin, die sie in ihrem Buch erläuterte.
Inzwischen lebte auch Jackie danach. Sie trainierte jeden Tag. Sie übte Schießen und Selbstverteidigung. Sie hatte den Blick auf das Ziel gerichtet, und nichts – keine Freundschaft, kein Vergnügen, keine Romanze – konnte sich ihr in den Weg stellen.
General Napier hatte niemals geheiratet, sondern ihr Leben der Karriere gewidmet. Jackie strebte eine andere Karriere an – im Gartenbau – sie widmete ihr Leben dem
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