Mein Höhenflug, mein Absturz, meine Landung im Leben (German Edition)
20 Kinder. Ein paar Mädchen kamen auch aus Eibenstock und Erlabrunn. Eine von uns war Viola Bauer, die 2002 bei den Olympischen Spielen und bei der Weltmeisterschaft 2003 mit der deutschen Staffel jeweils Gold holte.
Von solchen Erfolgen habe ich natürlich auch geträumt. Bei den Schülerrennen in unserer Region war ich meist ganz vorne mit dabei. 1986 haben sie mich in Johanngeorgenstadt zur »Sportlerin des Jahres« gewählt – und Sven wurde bei den Jungen Sieger. Als Geschenk gab es damals das »Schnatterinchen« aus der Sendung »Sandmännchen«, die bei uns Kindern total beliebt war.
Bei der DDR-Spartakiade 1988 war es für mich bestens gelaufen, ich durfte zur Siegerehrung. Ich hatte lange, dicke Haare und nach dem Rennen natürlich geduscht. So stand ich also mit nassen Haaren auf dem Treppchen – und holte mir prompt eine Erkältung. Deswegen konnte ich nicht bei einem Ausscheidungswettkampf in Klingenthal starten, der über die Aufnahme in die KJS (Kinder- und Jugendsportschule) entscheiden sollte.
Meine Chance auf weitere Förderung war verpasst. Es gab dann leider keine weitere Chance mehr. Ein paar Monate später kam die Wende. Meine Eltern hatten jetzt ganz andere Sorgen, als sich um meine Sportlerkarriere zu kümmern. «
Yvonne Oswald (geb. Helbig) war als Kind eine sehr gute Langläuferin. Heute führt sie die Pension »Zum Schanzenblick« in Johanngeorgenstadt.
»Musste ganz annersch machen«
Beim Hallentraining ging es vor allem darum, die Sprungkraft zu entwickeln. Wir absolvierten zum Beispiel Übungen, die viele vielleicht aus der Sportstunde kennen: Dreierhopp- oder Schlusssprünge. Wir mussten über Hürden springen. Und immer wieder auf einen Kasten, dann wieder runter und dabei die Landung wie beim Skispringen setzen. Es war immer ein sehr intensives Training, das allerdings durch viele Spiele (Fußball, Handball, Völkerball) gelockert wurde.
Mir taugte natürlich das Sprungtraining am meisten. Die beiden Schülerschanzen standen im Wald, der Auslauf endete am Eisstadion. Jede Trainingseinheit begann damit, dass wir vielleicht zehn Mal den einigermaßen steilen Sprunghügel hinunterfuhren, unten die Sprungskier abschnallten und sie wieder den Hang hinauftrugen. Danach durften wir richtig springen. Meist acht Mal, von der kleineren der beiden Schülerschanzen.
Es ging schon bis zu 10 Meter weit. Und Erich Hilbig sagte jedes Mal, was ihm an meinem Sprung aufgefallen war: »War zu früh«, »war zu spät« – das bezog sich auf die Absprunggenauigkeit. Oft hörte ich ihn auch sagen: »War gut.« Und manchmal: »Musste ganz annersch machen.« Dann erklärte er immer auch: wie anders ich es machen sollte.
Mein erster Trainer
Ich habe Herrn Hilbig, meinen ersten Trainer, als ziemlich strengen Mann in Erinnerung, der großen Wert auf Disziplin legte. Aber vor allem erlebte ich ihn als einen fähigen Mann, der die Feinheiten, auf die es beim Skispringen ankommt, gut erklären und vermitteln konnte. In den Medien wurde er (Jahrgang 1938) respektvoll »Medaillenschmied« tituliert.
Tatsächlich hatte Erich Hilbig vor mir schon ein paar Johanngeorgenstädter Talente, etwa Manfred Deckert (u. a. Sieger der Vierschanzentournee 1981/1982) oder Thomas Abratis (Juniorenweltmeister 1987) und später unter anderem noch Björn Kircheisen und Richard Freitag entdeckt, ausgebildet und geformt – »auf die Strecke gebracht«, wie er es ausdrückte. Seine Athleten haben bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften erstaunliche 60 Medaillen geholt.
Erich Hilbig hatte Bierbrauer gelernt, spielte Handball und trainierte als Skispringer in Oberwiesenthal. Bei einem Sturz verletzte er sich schwer an der Schulter, deswegen verpasste er die Olympiaausscheidung und musste zu den Fallschirmspringern. Seine Qualifikation als Sportlehrer holte er sich per Fernstudium, in Winterlehrgängen und an der Deutschen Hochschule für Körperkultur (DHfK) in Leipzig. Titel seiner Diplomarbeit: »Vergleichende Betrachtung zwischen physischer und psychischer Belastung im Verlauf eines Sprungtrainings«.
Er war also ein Mann der Praxis und hatte schon reichlich Erfahrung. Für mich erwies es sich als ein glücklicher Umstand, dass mich dieser erfahrene Diplom-Sportlehrer damals in seinem Trainingskollektiv im Trainingszentrum Johanngeorgenstadt unter die Fittiche nahm und mir eine Perspektive bot.
An der Leipziger Deutschen Hochschule für Körperkultur wurden Trainer und (Dipl.-)Sportlehrer ausgebildet. Die
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