Mein ist dein Tod
würde stürzen!«
Vincent sagte: »Danke für den Hinweis und die Aufzählung meiner Attribute. Sie sind Realist, Herr Siebert, und sogar jetzt noch spritzen Sie Zorn und Galle, während Ihr unbedachter Zorn Ihnen den Rest der Würde raubt und Sie zu einem Toten macht. Mal sehen, wie lange Sie das durchhalten. Vielleicht habe ich mich in Ihnen getäuscht und ich sollte Sie an meine Seite holen, anstatt Sie zu töten.«
»Ja, ja ... das wäre eine gute Idee«, gewann der Gefesselte Hoffnung. Eine weitere Pause entstand, in der sich die Männer eindringlich musterten. Vincent brach das Schweigen.
»Leider hasse ich Menschen wie Sie, Herr Siebert. Ich hasse Männer, die sich ihren Weg mit allen Mitteln freikämpfen. Jeder Mann hat stets die Wahl zwischen Brutalität und Souveränität. Ich entschied mich stets für das Zweite.« Vincent zögerte und fuhr sich mit der Hand übers Kinn. »Nein, freilassen kann ich Sie nicht. Also sollten wir uns auf das Unvermeidliche vorbereiten. Beantworten Sie so gut Sie können meine Fragen, Herr Siebert. Wenn Sie das tun, werde ich Ihre Leiden verkürzen. Falls nicht, werden Sie eine neue Dimension von Zeit und Qual erleben.«
»Lieber Himmel, ich bitte Sie, Herr Padock. Was für Fragen?«
»Etwas Geduld noch, bitte.«
»Herr Padock ... Wir sind doch zivilisierte Menschen. Sie bluffen, das weiß ich. Mann, Sie sind kein Killer. Sie sind ein kultivierter Mensch. Sie wollen mir eine Lehre erteilen, Herr Padock, stimmt’s? Okay, ich hab’s kapiert. Ja, ja – ich hab alles begriffen.«
»Dann ist der erste Schritt schon getan, Herr Siebert. Demut!«, sagte Vincent.
Siebert grinste schräg. »Ich werde mich bei Irene und den anderen entschuldigen. Niemand wird etwas von dieser Sache hier erfahren, niemand. Das schwöre ich!«
Vincent schwieg und nickte. »Eine reizvolle Idee.«
Siebert seufzte erleichtert.
Vincent schüttelte den Kopf. »Aber nicht machbar.«
Die letzten zwei Worte schwangen dumpf und träge durch den Raum, und Vincent spürte, dass Siebert erstmals die Möglichkeit in Betracht zog, dass diese Zusammenkunft kein Scherz, sondern bitterer Ernst war.
An diesem Punkt waren sich alle ähnlich. Sie rissen die Augen auf, und in ihren Gesichtern spiegelte sich eine Form von Unglauben. Sie glaubten an nichts, weder an Gott, noch an Engel, noch an den Tod. Das Problem, an dem die moderne Gesellschaft litt. Sie hielten alles für vermeidbar oder verdrängten die Realität. Das taten sie so lange, bis sie die unausweichliche Wahrheit erkannten und die Tatsache, dass sie ein Teil von ihr geworden waren. Dann kehrte der Glaube zurück, und sie winselten oder kreischten, Gott möge sie retten. Dann, wenn es zu spät war, denn an Gott glauben, hieß begreifen, dass das Leben einen Sinn hatte, wohingegen jetzt nur noch der Tod wartete.
»Bitte, bitte – was haben Sie vor?«, heulte Siebert. Er bäumte sich auf und riss an seinen Fesseln. Er spuckte aus, seine Wangen blähten sich wie bei einem Frosch. Dann schrie er, doch es war keine Furcht, sondern Zorn.
»Keine Sorge, ich gestatte Ihnen, ganz und gar aus sich herauszugehen. Ich werde sie nicht wieder knebeln. Toben Sie, solange Sie wollen. Kein Mensch schreit ewig. Niemand kann Sie hören, also werden Sie nach einer Weile mit dem Gebrüll aufhören und sich auf meine Fragen konzentrieren. Das sind die kleinen Vorzüge dieser Villa am Wannsee. Weit und breit keine Nachbarn, die etwas hören oder sehen.«
Siebert klappte den Mund zu und schwieg.
»Was haben Sie vor?«, keuchte er. »Warum stellen Sie mir nicht endlich Ihre verdammten Fragen?«
Vincent runzelte die Stirn, als könne er sich gegen den Lauf der Dinge nicht wehren. Er wies hinter sich, wo ein armdicker, verfärbter Holzbalken aus einer Bodenhalterung ragte, etwa eineinhalb Meter hoch, umgeben von einer tellerartigen Vertiefungsrinne aus Metall, die in einen Abfluss führte. Er drückte auf einen Knopf, und die zwei Krallen mit dem Mann darauf hoben sich zitternd. Die Konstruktion lief in einer Deckenschiene, ähnlich der eines elektrischen Garagentores.
»Herr Siebert – ich werde Sie pfählen!«
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