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Mein Katalonien

Titel: Mein Katalonien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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weniger nichtigen Vorwänden an der Grenze verhaftet. Es ist sehr gut möglich, daß anfangs nur beabsichtigt war, Smillie einige Tage festzuhalten. Unglücklicherweise bleibt man aber in Spanien mit oder ohne Urteil für längere Zeit im Gefängnis, wenn man erst einmal dort ist.
    Wir lagen immer noch vor Huesca, aber man hatte uns weiter nach rechts, gegenüber der faschistischen Feldschanze, aufgestellt, die wir einige Wochen vorher vorübergehend erobert hatten. Ich fungierte jetzt als teniente, das entspricht dem Leutnant
    der britischen Armee, soviel ich weiß. Ich führte das Kommando über dreißig Männer, Engländer und Spanier. Mein Name war zur Bestätigung einer regulären Offiziersstelle gemeldet worden. Ob ich sie erhalten würde, war ungewiß. Bisher hatten sich die Milizoffiziere geweigert, reguläre Offiziersstellen einzunehmen, da dies höheren Sold bedeutete und sie in Konflikt mit der Gleichheitsidee in der Miliz brachte. Aber sie mußten sich jetzt dazu bequemen. Benjamin war schon offiziell zum Hauptmann ernannt worden, und Kopp sollte zum Major befördert werden. Natürlich konnte die Regierung nicht auf die Milizoffiziere verzichten, aber sie bestätigte keinen von ihnen in einem höheren Rang als dem des Majors. Wahrscheinlich tat sie das, um die höheren Kommandoposten für reguläre Armeeoffiziere oder die neuen Offiziere der Kriegsschule freizuhalten. Als Ergebnis gab es in unserer 39. Division und zweifellos in vielen anderen Einheiten zeitweilig die seltsame Situation, daß der Divisionskommandeur, die Brigadekommandeure und die Bataillonskommandeure alle nur Major waren.
    An der Front ereignete sich nicht viel. Die Schlacht um die Straße nach Jaca war erloschen und flammte vor Mitte Juni nicht wieder auf. Scharfschützen waren das Hauptübel in unserer Stellung. Die faschistischen Schützengräben lagen mehr als hundertfünfzig Meter entfernt, aber auf höherem Gelände und zu beiden Seiten unserer Stellung, die hier einen rechten Winkel bildete. Die Ecke des Winkels war eine gefährliche Stelle. Dort hatte es schon mehrere Verluste durch Scharfschützen gegeben. Von Zeit zu Zeit feuerten die Faschisten einen Gewehrgranatwerfer oder eine ähnliche Waffe auf uns ab. Sie machte einen schauderhaften Krach und war entnervend, denn man konnte sie nicht rechtzeitig genug hören, um ihr auszuweichen. Aber sie war in Wirklichkeit nicht gefährlich. Sie schlug nur ein Loch von der Größe eines Waschfasses in die Erde. Die Nächte waren angenehm warm, die Tage glühend heiß. Die Moskitos wurden unerträglich, und trotz der sauberen Kleidung, die wir aus Barcelona mitgebracht hatten, waren wir fast sofort wieder verlaust. In den verlassenen Obstgärten draußen im Niemandsland wurden die Kirschen schon hell. Zwei Tage lang hatten wir Regenfälle, die Unterstände wurden überfutet, und die Brustwehr sank dreißig Zentimeter ein. Danach mußten wir wieder einige Tage den klebrigen Ton mit den elenden spanischen Spaten, die sich wie Blechlöffel verbiegen, ausgraben.
    Für jede Kompanie war uns ein Grabenmörser versprochen worden, und ich wartete schon mit Freude darauf. Nachts gingen wir wie gewöhnlich auf Spähtrupp, nur war es jetzt gefährlicher als früher, denn die faschistischen Schützengräben waren besser besetzt und sie waren jetzt vorsichtiger geworden. Sie hatten Blechbüchsen direkt vor die Drahtverhaue gelegt und schossen sofort mit Maschinengewehren, wenn sie nur einen Ton hörten. Während des Tages schossen wir aus einem Scharfschützennest im Niemandsland auf ihre Stellungen. Wenn man hundert Meter vorwärtskroch, kam man zu einem Graben, der hinter hohem Gras verborgen lag und eine Lücke in der faschistischen Brustwehr beherrschte. In diesem Graben hatten wir ein Gewehrnest eingerichtet. Wenn man lange genug wartete, konnte man regelmäßig eine in Khaki gekleidete Figur hinter der Lücke schnell vorbeischlüpfen sehen. Ich schoß verschiedene Male. Ich weiß nicht, ob ich jemand traf; es ist sehr unwahrscheinlich, denn ich bin ein sehr schlechter Gewehrschütze. Aber es war immerhin ein ziemlicher Spaß, da die Faschisten nicht wußten, woher die Schüsse kamen, und ich war sicher, daß ich einen von ihnen früher oder später erwischen würde. Aber der Jäger wurde zum Gejagten – ein faschistischer Scharfschütze erwischte statt dessen mich. Ich war etwa zehn Tage wieder an der Front, als es geschah. Das ganze Erlebnis, von einer Kugel getroffen zu werden, ist sehr

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