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Mein Katalonien

Titel: Mein Katalonien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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Faschismus Francos und Hitlers zu kämpfen. Mochte die Nachkriegsregierung große Fehler haben, Francos Regime würde sicherlich schlimmer sein. Für die Arbeiter, das Proletariat in den Städten, mochte es am Ende wenig ausmachen, wer gewann, denn Spanien ist vor allem ein Agrarland, und die Bauern würden mit ziemlicher Gewißheit aus einem Sieg der Regierung Nutzen ziehen. Zumindest ein Teil des eroberten Landes würde in ihrem Besitz bleiben, das aber hieß, daß auch in den Gebieten, die unter Francos Herrschaft gestanden hatten, Land verteilt würde. Es war auch nicht anzunehmen, daß die tatsächlich in einigen Gebieten Spaniens vorher vorhandene Knechtschaft wiederhergestellt würde. Jedenfalls müßte die bei Kriegsende herrschende Regierung antiklerikal und antifeudal sein. Sie würde, zumindest für eine gewisse Zeit, die Kirche unter Kontrolle halten und das Land modernisieren müssen, zum Beispiel Straßen bauen, die Erziehung und die öffentliche Gesundheit fördern. Schon während des Krieges hatte man bis zu einem gewissen Grade etwas in dieser Richtung unternommen. Franco dagegen war fest an die großen feudalen Landbesitzer gebunden und vertrat eine engstirnige klerikalmilitärische Reaktion, soweit er nicht lediglich eine Marionette Italiens oder Deutschlands war. Möglicherweise war die Volksfront ein Betrug, aber Franco war ein Anachronismus. Nur Millionäre oder Romantiker konnten sich seinen Sieg wünschen.
    Außerdem ging es um die Frage des internationalen Prestiges des Faschismus. Dieses Problem hatte mich seit ein oder zwei Jahren wie ein Alpdruck verfolgt. Seit 1930 hatten die Faschisten nur Siege errungen, so war es an der Zeit, daß sie einmal geschlagen wurden, und es kam kaum darauf an, von wem. Trieben wir Franco und seine ausländischen Söldner ins Meer, würde das die Weltsituation gewaltig verbessern, selbst wenn Spanien unter einer Diktatur daraus hervorginge und seine besten Leute ins Gefängnis kämen. Allein schon eine Niederlage des Faschismus war es wert, den Krieg zu gewinnen.
    So sah ich die Dinge damals. Ich sollte hinzufügen, daß ich heute besser über die Regierung Negrin denke als bei seinem Amtsantritt. Sie hat den schwierigen Kampf mit prächtigem Mut durchgehalten und mehr politische Toleranz bewiesen, als irgend jemand erwartete. Aber ich glaube immer noch, daß eine Nachkriegsregierung eine faschistische Neigung haben wird, es sei denn, Spanien würde mit allen unvorhersehbaren Konsequenzen geteilt. Wieder einmal lasse ich diese Ansicht stehen, wie sie ist, und nehme das Risiko auf mich, daß die Zeit mit mir machen wird, was sie mit den meisten Propheten getan hat.
    Wir waren gerade an der Front angekommen, als wir hörten, daß Bob Smillie auf seinem Weg zurück nach England an der Grenze verhaftet, nach Valencia gebracht und in ein Gefängnis geworfen worden sei. Smillie war seit dem vergangenen Oktober in Spanien gewesen. Einige Monate lang hatte er im Büro der P.O.U.M. gearbeitet. Als dann die anderen I.L.P.-Mitglieder ankamen, war er mit der Absicht in die Miliz eingetreten, drei Monate an die Front zu gehen, ehe er nach England zurückkehrte, um sich dort an einer Propagandatour zu beteiligen. Es dauerte einige Zeit, ehe wir ausfindig machen konnten, warum er verhaftet worden war. Man hielt ihn ›incomunicado‹, so daß nicht einmal ein Rechtsanwalt zu ihm konnte. In Spanien gibt es kein Habeas Corpus, jedenfalls nicht in der Praxis, und man kann monatelang ununterbrochen im Gefängnis festgehalten werden, ohne daß Anklage erhoben wird, geschweige denn ein Urteil ergeht. Schließlich hörten wir von einem entlassenen Gefangenen, daß Smillie verhaftet worden sei, weil er »Waffen trug«. Wie ich zufällig wußte, waren diese »Waffen« zwei Handgranaten primitivster Art, wie sie bei Kriegsbeginn benutzt wurden. Zusammen mit Granatsplittern und anderen Souvenirs hatte er sie mit nach Hause nehmen wollen, um bei seinen Vorträgen ein wenig damit anzugeben. Die Ladung und die Zünder waren entfernt worden, so blieben nur die vollständig harmlosen Stahlzylinder übrig. Das war aber offensichtlich nur ein Vorwand, und man hatte ihn vielmehr wegen seiner bekannten Verbindung mit der P.O.U.M. verhaftet. Die Kämpfe in Barcelona waren gerade zu Ende, und die Behörden bemühten sich in diesem Augenblick sehr, niemand aus Spanien herauszulassen, der in der Lage gewesen wäre, der offiziellen Version zu widersprechen. So wurden also Menschen unter mehr oder

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