Mein Katalonien
Bündnis mit Gruppen der kapitalistischen Klasse geschlagen werden (die Volksfront). Ihre Gegner behaupten, dieses Manöver schaffe nur neue Brutstätten für den Faschismus. Diese Frage muß gelöst werden. Wenn wir die falsche Entscheidung treffen, könnten wir für Jahrhunderte in halber Sklaverei enden. Solange aber kein anderes Argument vorgebracht wird als der Schrei »trotzkistischer Faschist«, kann die Diskussion nicht einmal anfangen. Für mich wäre es zum Beispiel unmöglich, mit einem kommunistischen Parteimitglied über Recht oder Unrecht der Kämpfe in Barcelona zu debattieren. Denn kein Kommunist – das heißt kein »guter« Kommunist – könnte zugeben, daß ich. eine wahrhaftige Schilderung der Ereignisse gegeben habe. Würde er pflichtgemäß seiner Partei-»Linie« folgen, müßte er erklären, ich lüge, oder bestenfalls, ich sei hoffnungslos verführt worden. Er müßte sagen, daß jeder, der, viele tausend Kilometer vom wahren Geschehen entfernt, füchtig die Schlagzeilen des Daily Worker liest, mehr über das Geschehen in Barcelona weiß als ich. Unter diesen Umständen gibt es keine Argumente, das notwendige Minimum für ein Einverständnis läßt sich nicht erzielen. Welchen Zweck hat es zu sagen, Leute wie Maxton würden von den Faschisten bezahlt; dadurch wird jede ernsthafte Diskussion unmöglich. Das ist genauso, als ob ein Spieler mitten in einem Schachwettkampf plötzlich laut schreiend behauptete, sein Gegner sei ein Brandstifter oder Bigamist. Der eigentliche Streitpunkt bleibt dabei unberührt, durch Verleumdung kann man nichts entscheiden.
ZWÖLFTES KAPITEL
Etwa drei Tage nach dem Ende der Kämpfe in Barcelona kehrten wir an die Front zurück. Nach den Kämpfen – besonders nach der Verleumdungskampagne in den Zeitungen – war es schwer, diesen Krieg in der gleichen naiven, idealistischen Weise wie vorher zu betrachten. Ich glaube, es gibt niemand, der nicht in einem gewissen Umfang seine Illusionen verloren hat, wenn er länger als einige Wochen in Spanien gewesen ist. In Gedanken sah ich den Zeitungskorrespondenten, den ich am ersten Tag in Barcelona getroffen hatte und der mir sagte: »Dieser Krieg ist genau wie jeder andere ein Betrug.« Diese Bemerkung hatte mich tief erschüttert, und ich glaubte damals im Dezember nicht, daß sie richtig sei. Sie stimmte nicht einmal jetzt im Mai, aber sie kam der Wahrheit immer näher. In Wirklichkeit unterliegt jeder Krieg mit jedem Monat, den er länger dauert, einer gewissen sich steigernden Entartung. Begriffe wie individuelle Freiheit und wahrhafte Presse können einfach nicht mit dem militärischen Nutzeffekt konkurrieren.
Es war jetzt möglich, sich Gedanken darüber zu machen, was weiter geschehen würde. Man konnte leicht erkennen, daß die Regierung Caballero gestürzt und durch eine stärker rechtsgerichtete Regierung unter größerem kommunistischem Einfluß ersetzt werden würde (was tatsächlich ein oder zwei Wochen später geschah). Diese Regierung würde es sich zur Aufgabe machen, die Macht der Gewerkschaften ein für allemal zu brechen. Auch später, nach dem Sieg über Franco, würden die Aussichten nicht rosig sein, selbst wenn man einmal die gewaltigen Probleme außer acht ließ, die sich aus der Neugestaltung Spaniens ergaben. Die Darstellungen in der Zeitung vom »Krieg für die Demokratie« waren leeres Gewäsch. Kein vernünftiger Mensch nahm an, daß es in einem bei Kriegsende so geteilten und erschöpften Land wie Spanien noch eine Hoffnung für die Demokratie geben könne, selbst nicht so, wie wir sie in England oder Frankreich kennen. Eine Diktatur mußte kommen, und es war klar, daß die Chancen einer Diktatur der Arbeiterklasse vorbei waren. Das hieß, daß die allgemeine Entwicklung in die Richtung einer Spielart des Faschismus gehen würde. Dieser Faschismus würde zweifellos eine höflichere Bezeichnung haben und, da es sich um Spanien handelte, menschlicher und weniger wirkungsvoll ausfallen als die deutschen und italienischen Abarten. An weiteren Alternativen gab es nur eine unendlich schlimmere Diktatur unter Franco oder die Beendigung des Krieges durch die schon immer vorhandene Möglichkeit der Aufteilung Spaniens, entweder entlang den tatsächlichen Fronten oder nach wirtschaftlichen Zonen.
Das war eine bedrückende Aussicht, wie immer man es auch sehen mochte. Aber daraus ließ sich nicht folgern, es sei nicht wert, für die Regierung gegen den offeneren und weiter entwickelten
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