Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Mein Katalonien

Titel: Mein Katalonien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
Vom Netzwerk:
und bat mich um eine Erklärung: »Eroica – was heißt eroica?«
    Ich erklärte ihm, es bedeute das gleiche wie valiente. Etwas später stolperte er in der Dunkelheit durch den Schützengraben, und der Wachtposten rief ihm zu: »Alto! Cataluña!«
    »Valiente!« rief Jaime, überzeugt daß er das richtige Wort sage.
    Peng!
    Aber der Wachtposten schoß an ihm vorbei. In diesem Kriege schoß immer jeder an jedem vorbei, wenn es irgendwie menschenmöglich war.

VIERTES KAPITEL

    Nachdem ich etwa drei Wochen an der Front gelegen hatte, kam eine Abteilung von zwanzig oder dreißig Mann in Alcubierre an, die von der I.L.P. (Independent Labour Party, A.d.Ü.) aus England geschickt wurden. Um die Engländer an diesem Frontabschnitt zusammenzuhalten, leitete man Williams und mich zu ihnen. Unsere neue Stellung lag bei Monte Oscuro, einige Kilometer weiter westlich und in Sichtweite von Saragossa. Die Stellung saß hoch auf dem Kalkgestein wie auf der
    Schneide einer Rasierklinge. Die Unterstände waren waagerecht in die Klippen gebohrt, Nester von Uferschwalben. Sie gingen über eine erstaunliche Entfernung hinweg in den Boden. Im Inneren waren sie pechschwarz und so niedrig, daß man nicht einmal darin knien, geschweige denn stehen konnte. Auf den Hügelkuppen zu unserer Linken lagen zwei weitere P.O.U.M.-Stellungen. Eine davon faszinierte jeden Soldaten in der ganzen Kampflinie, denn dort gab es drei weibliche Angehörige der Miliz, die das Essen kochten. Diese Frauen waren nicht gerade schön, aber es erwies sich als notwendig, den Soldaten anderer Kompanien den Zugang zu dieser Stellung zu verbieten. Fünfhundert Meter weiter auf unserer Rechten lag eine Stellung der P.S.U.C. an einer Kurve der Straße nach Alcubierre. Genau an dieser Stelle ging die Straße in andere Hände über. Nachts sah man die Lichter unserer Nachschub-Lastwagen, die sich aus Alcubierre herauswanden, und gleichzeitig die Lichter der faschistischen Wagen, die von Saragossa kamen. Man konnte Saragossa selbst sehen: eine dünne Lichterkette gleich den erleuchteten Bullaugen eines Schiffes, neunzehn Kilometer südwestwärts. Die Regierungstruppen hatten seit August 1936 aus der gleichen Entfernung dort hinübergestarrt, und sie starren immer noch dorthin.
    Wir waren etwa dreißig Engländer, einschließlich eines Spaniers (Ramón, der Schwager von Williams) und ein Dutzend spanischer Maschinengewehrschützen. Außer den unvermeidlichen vereinzelten Abenteurern – wie jeder weiß, zieht der Krieg Rauhbeine an – waren die Engländer sowohl körperlich wie auch geistig eine außergewöhnlich gute Gruppe. Bob Smillie – der Enkel des berühmten Bergarbeiterführers – war vielleicht der beste der ganzen Meute. In Valencia fand er später einen unglücklichen und sinnlosen Tod. Es ist bezeichnend für den spanischen Charakter, daß die Engländer und Spanier trotz der Sprachschwierigkeiten immer so gut miteinander auskamen. Wir entdeckten, daß alle Spanier zwei englische Ausdrücke kannten. Einer lautete »O.K. baby«, der andere war ein Wort, das die Huren von Barcelona im Umgang mit englischen Seeleuten gebrauchten, und ich vermute, der Setzer würde es nicht drucken.
    Wieder einmal ereignete sich an der ganzen Front nichts. Nur das vereinzelte Pfeifen von Kugeln und, sehr selten, das Krachen eines faschistischen Granatwerfers, worauf alle zum obersten Schützengraben stürzten, um zu sehen, auf welchem Hügel die Granaten explodierten. Der Gegner war uns hier etwas näher, vielleicht drei- oder vierhundert Meter weit weg. Seine nächste Stellung lag uns genau gegenüber, und zwar war es ein Maschinengewehrnest, dessen Sehschlitz uns dauernd in Versuchung führte, Patronen zu verschwenden. Die Faschisten machten sich selten die Mühe, mit Gewehren zu schießen, aber sie überschütteten jeden, der sich zur Schau stellte, mit einem sehr genau gezielten Maschinengewehrfeuer. Trotzdem dauerte es mehr als zehn Tage, ehe wir den ersten Verlust hatten. Die uns gegenüberliegenden Truppen waren Spanier, aber nach Aussagen von Deserteuren befanden sich unter ihnen etliche deutsche Unteroffiziere. Einige Zeit vorher waren dort auch Mauren – arme Teufel, wie müssen sie die Kälte gespürt haben –, ein toter Maure lag draußen im Niemandsland, eine der Sehenswürdigkeiten dieser Stellung. Etwa eineinhalb bis drei Kilometer links von uns endete der zusammenhängende Verlauf der Front. Dort gab es ein Stück niedrigliegendes, dichtbewaldetes Land, das

Weitere Kostenlose Bücher