Mein Katalonien
Maschinengewehrfeuer, ein schwerer rollender Ton, der eigenartigerweise dem Rollen von Trommeln ähnelt. Allmählich breitete sich das Schießen in allen Schützengräben aus, die Huesca einschlossen. Wir stolperten in den Graben und lehnten schläfrig an der Brustwehr, während eine unregelmäßige, sinnlose Kanonade über unsere Köpfe hinwegfegte.
Tagsüber donnerten die Kanonen unregelmäßig. Torre Fabian, das jetzt als unsere Küche diente, wurde beschossen und teilweise zerstört. Es ist merkwürdig, daß man sich immer wünscht, wenn man Artilleriefeuer aus einer sicheren Entfernung beobachtet, der Kanonier möge sein Ziel treffen, selbst wenn in diesem Ziel das eigene Mittagessen und einige der eigenen Kameraden sind. An jenem Morgen schossen die Faschisten gut – vielleicht besorgten deutsche Kanoniere das Geschäft. Sie gabelten Torre Fabian sorgfältig ein. Eine Granate darüber hinaus, eine Granate kurz davor und dann zischbumm! Berstende Dachsparren flogen nach oben, und ein Stück Uralit flatterte aus der Luft herab wie ein emporgeschnelltes Paket Spielkarten. Die nächste Granate schlug die Ecke eines Gebäudes so sauber weg, wie es ein Riese mit einem Messer tun könnte. Aber die Köche lieferten das Dinner pünktlich ab – ein denkwürdiges Kunststück.
Im Verlauf der nächsten Tage nahm jede der unsichtbaren, aber hörbaren Kanonen eine ausgeprägte Persönlichkeit an. Wir hatten zwei Batterien russischer Fünfundsiebzig-Millimeter-Kanonen, die dicht hinter uns abgefeuert wurden und die in meiner Vorstellung das Bild eines fetten Mannes hervorriefen, der auf einen Golfball schlägt. Es waren die ersten russischen Kanonen, die ich damals gesehen oder, besser, gehört habe. Die Geschosse hatten eine niedrige Flugbahn und eine sehr hohe Geschwindigkeit, so daß man fast gleichzeitig die Explosion der Kartusche, das Zischen und das Bersten der Granate hörte. Hinter Monforite standen zwei sehr schwere Kanonen, die ein paarmal am Tag mit einem tiefen, gedämpften Donner schossen, der sich wie das Gebell eines weitentfernten, angeketteten Ungeheuers anhörte. Oben auf Monte Aragon, der mittelalterlichen Festung, die von den Regierungstruppen im vergangenen Jahr erstürmt worden war (zum erstenmal in der Geschichte, wie man sagte) und einen der Zugänge nach Huesca bewachte, stand eine schwere Kanone, die aus der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts stammen mußte. Ihre großen Granaten pfiffen so langsam über uns hinweg, daß man das Gefühl hatte, man könnte mit ihnen laufen und Schritt halten. Eine Granate aus dieser Kanone klang ungefähr so wie ein Mann, der auf einem Fahrrad vorbeifährt und pfeift. Die Grabenmörser machten den teuflischsten Lärm von allen, obwohl sie klein waren. Ihre Granaten sind eigentlich eine Art Torpedo mit Flügeln, sie sehen aus wie die Wurfpfeile, mit denen man in englischen Kneipen spielt, und sie haben ungefähr die Größe einer Literflasche. Sie gehen mit einem teuflischen metallischen Krachen los, so wie wenn eine riesige Kugel aus sprödem Stahl auf einem Amboß zerschmettert wird. Manchmal flogen unsere Flugzeuge hinüber und warfen Lufttorpedos ab, deren enormer Donner ein Echo hervorrief und die Erde selbst auf eine Entfernung von über drei Kilometer zum Zittern brachte. Die explodierenden Granaten aus den faschistischen Flugabwehrkanonen betupften den Himmel mit Wölkchen wie aus schlechter Wasserfarbe, aber ich sah niemals, daß sie näher als tausend Meter an ein Flugzeug herankamen. Wenn ein Flugzeug hinabstößt und aus seinem Maschinengewehr feuert, hört sich der Lärm von unten wie das Flattern von Flügeln an.
An unserem Frontabschnitt ereignete sich nicht viel. Zweihundert Meter zur Rechten von uns, wo die Faschisten auf höherem Boden lagen, erwischten ihre Scharfschützen einige unserer Kameraden. Zweihundert Meter zur Linken, an der Brücke über den Fluß, spielte sich eine Art Duell ab zwischen den faschistischen Mörsern und den Männern, die eine Betonbarrikade jenseits der Brücke bauten. Die bösen kleinen Granaten zischten herüber, zwingkrach! zwingkrach!, und machten einen doppelt teuflischen Lärm, wenn sie auf der Asphaltstraße landeten. Hundert Meter weiter konnte man in vollständiger Sicherheit stehen und die Säulen aus Erde und Rauch beobachten, die wie Zauberbäume in die Luft sprangen. Die armen Teufel an der Brücke verbrachten ein gut Teil des Tages damit, sich in die kleinen Schützenlöcher zu ducken, die sie an der
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