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Mein Katalonien

Titel: Mein Katalonien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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und dann verschwanden Jorge und Benjamin schnell in der Dunkelheit, während der Rest von uns folgte.
    Es regnete immer noch und war vollständig dunkel, aber der Wind hatte aufgehört. Der Schlamm war unbeschreiblich. Die Pfade durch die Rübenfelder bestanden nur aus einer Reihe von Klumpen, schlüpfrig, wie mit Fett eingeschmiert, dazwischen überall riesige Pfützen. Lange ehe wir an die Stelle kamen, wo wir unsere eigene Brustwehr verlassen sollten, war schon jeder mehrfach gefallen und waren unsere Gewehre mit Schlamm überzogen. An der Brustwehr wartete eine kleine Gruppe von Leuten, sie waren unsere Reserve, der Doktor und mehrere Tragbahren. Wir gingen in einer Reihe hintereinander durch die Lücke in der Brustwehr und wateten durch einen anderen Bewässerungsgraben. Platsch, glucks! Wieder standen wir bis zur Hüfte im Wasser, und der schmutzige, schleimige Schlamm ergoß sich über unsere Stiefelränder. Draußen auf dem Gras wartete Jorge, bis wir alle hindurch waren. Völlig niedergeduckt begann er dann, langsam vorwärts zu kriechen. Die faschistische Brustwehr lag etwa hundertfünfzig Meter weit entfernt. Unsere einzige Chance, dorthin zu kommen, bestand darin, uns ohne Lärm zu bewegen.
    Ich war mit Jorge und Benjamin an der Spitze. Wir krochen tief gebückt, hielten aber unsere Gesichter hoch. So krochen wir, mit jedem Schritt langsamer werdend, in die vollständige Dunkelheit hinein. Leicht schlug der Regen in unsere Gesichter. Wenn ich zurückschaute, konnte ich die Männer in meiner Nähe sehen. Sie waren ein Haufen gekrümmter Schatten, die wie riesige schwarze Pilze langsam vorwärts glitten. Aber jedesmal, wenn ich meinen Kopf hob, wisperte Benjamin dicht neben mir ungestüm in mein Ohr: »Den Kopf ‘runterhalten! Den Kopf ‘runterhalten!« Ich hätte ihm sagen können, er brauche sich nicht zu sorgen. Ich wußte aus Erfahrung, daß man in einer dunklen Nacht niemals einen Mann auf eine Entfernung von zwanzig Schritten sehen kann. Viel wichtiger war es, ohne einen Laut vorzugehen. Wenn sie uns einmal hörten, war es aus mit uns. Sie brauchten nur die Dunkelheit mit ihrem Maschinengewehrfeuer zu zerschneiden, und uns würde nichts anderes übrigbleiben, als wegzulaufen oder massakriert zu werden.
    Es war fast unmöglich, auf dem durchweichten Boden ruhig voranzukommen. Wie man es auch anstellte, die Füße blieben im Schlamm stecken, und jeder Schritt, den man machte, war ein Platsch-Platsch, Platsch-Platsch. Das Teufische aber war, daß der Wind nachgelassen hatte und trotz des Regens die Nacht sehr ruhig war. Geräusche konnten selbst über größere Entfernungen hinweg gehört werden. Ich erlebte einen schrecklichen Augenblick, als ich gegen eine Blechdose trat und dachte, jeder Faschist im Umkreis von Kilometern müsse es gehört haben. Aber nein, kein Ton, kein Schuß als Antwort, keine Bewegung in der faschistischen Linie. Wir krochen weiter, immer langsamer. Ich kann gar nicht beschreiben, wie heftig mein Wunsch war, dorthin, also bis auf Handgranaten-Wurfweite, heranzukommen, ehe sie uns hörten! In einem derartigen Augenblick hat man nicht einmal Furcht, nur den riesigen, hoffnungslosen Wunsch, über das dazwischenliegende Gelände zu kommen. Bei der Jagd auf wilde Tiere habe ich genau das gleiche gefühlt, den gleichen qualvollen Wunsch, auf Schußweite heranzukommen, die gleiche traumhafte Gewißheit, daß es unmöglich ist. Wie sich die Entfernung dehnte! Ich kannte das Gelände gut, es waren kaum hundertfünfzig Meter, und doch schienen es eher anderthalb Kilometer zu sein. Wenn man in diesem Tempo kriecht, hat man ein Gefühl, wie eine Ameise sie von den riesigen Unterschieden des Bodens haben mag: ein herrliches Fleckchen weiches Gras hier,- ein häßliches Stück klebrigen Schlammes dort; die hohen, raschelnden Gräser, die man vermeiden muß; den Haufen Steine, die einen fast die Hoffnung aufgeben lassen, weil es unmöglich erscheint, ohne Lärm über sie hinwegzukommen.
    Wir waren so lange vorangekrochen, daß ich nahezu glaubte, wir hätten den falschen Weg eingeschlagen. Dann wurden in der Dunkelheit dünne, parallellaufende Linien aus etwas noch Schwärzerem gerade sichtbar. Es war der äußere Drahtverhau (die Faschisten hatten zwei Linien Drahtverhaue). Jorge kniete nieder und wühlte in seiner Tasche. Er hatte unsere einzige Drahtschere. Schnipp, schnipp. Die herumhängenden Drähte wurden vorsichtig zur Seite gehoben. Wir warteten auf die Männer am Schluß, damit sie

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