Mein Katalonien
alles mitzunehmen, was wert war, erbeutet zu werden. Benjamin und einige andere scharrten schon in den Trümmern einer großen Hütte oder eines Unterstandes in der Mitte der Stellung. Benjamin stolperte aufgeregt durch das zerstörte Dach und zog am Seilgriff einer Munitionskiste.
»Kameraden! Munition! Viel Munition hier!« »Wir wollen keine Munition!« sagte eine Stimme, »wir wollen Gewehre.«
Das war richtig. Die Hälfte unserer Gewehre war durch den Schlamm verklemmt und unbrauchbar. Sie konnten gereinigt werden, aber es war gefährlich, in der Dunkelheit den Bolzen aus einem Gewehr zu nehmen, denn man legt ihn irgendwo hin und verliert ihn dann. Ich hatte eine winzige elektrische Taschenlampe, die meine Frau in Barcelona auftreiben konnte, darüber hinaus hatten wir kein erwähnenswertes Licht bei uns. Einige Männer mit brauchbaren Gewehren begannen planlos auf das entfernte Mündungsfeuer zu schießen. Niemand wagte zu schnell zu feuern, denn selbst die besten Gewehre konnten sich verklemmen, wenn sie zu heiß wurden. Wir waren sechzehn Leute im Schützengraben, einschließlich ein oder zwei Verwundeter. Eine Anzahl Verwundeter, Engländer und Spanier, lagen draußen. Patrick O’Hara, ein Irländer aus Belfast, der etwas Ausbildung in Erster Hilfe gehabt hatte, ging mit Verbandspäckchen von einem zum anderen, verband die verwundeten Männer und wurde trotz seiner empörten Rufe »P.O.U.M!« jedesmal beschossen, wenn er zur Brustwehr zurückkehrte.
Wir begannen die Stellung zu durchsuchen. Einige tote Soldaten lagen herum, aber ich hielt mich nicht damit auf, sie zu untersuchen. Ich hatte es auf das Maschinengewehr abgesehen. Als wir draußen lagen, hatte ich mich während der ganzen Zeit etwas gewundert, warum das Maschinengewehr nicht feuerte. Ich leuchtete mit meiner Taschenlampe in das Maschinengewehrnest. Eine bittere Enttäuschung! Das Maschinengewehr war nicht dort. Sein Stativ war da und verschiedene Kästen mit Munition und Ersatzteilen, aber das Maschinengewehr war fort. Sie mußten es beim ersten Alarm abgeschraubt und weggetragen haben. Ohne Zweifel handelten sie auf Befehl, aber das war dumm und feige, denn wenn sie das Maschinengewehr an seiner Stelle gelassen hätten, wäre es möglich gewesen, uns alle abzuschlachten. Wir waren wütend. Wir hatten uns vorgenommen, ein Maschinengewehr zu erbeuten.
Wir stocherten hier und dort herum, fanden aber nichts von irgendwelchem Wert. Eine Menge faschistischer Handgranaten lag dort – ein sehr schlechtes Modell einer Handgranate, die man zündete, indem man eine Schnur losriß –, ich steckte ein paar davon als Souvenir in meine Tasche. Es war unmöglich, nicht von dem nackten Elend der faschistischen Unterstände betroffen zu sein. Hier gab es kein Durcheinander von zusätzlichen Uniformstücken, Büchern, Lebensmitteln und kleinen persönlichen Dingen wie in unseren eigenen Unterständen. Diese armen, unbezahlten Dienstpflichtigen schienen nichts zu besitzen außer Decken und einigen nassen Klumpen Brot. Am äußeren Ende lag ein kleiner Unterstand, der zum Teil über den Boden ragte und ein winziges Fenster hatte. Wir leuchteten mit der Lampe durch das Fenster und stießen sofort einen Freudenruf aus. Ein zylindrischer Gegenstand in einer Lederhülle, etwa hundertzwanzig Zentimeter hoch und fünfzehn Zentimeter im Durchmesser, lehnte an der Wand. Offensichtlich war es der Lauf des Maschinengewehres. Wir stürzten um die Ecke und kamen durch den Eingang hinein, um herauszufinden, daß das Ding in der Lederhülle nicht ein Maschinengewehr, sondern für unsere an Waffen arme Armee noch etwas Wertvolleres war. Es handelte sich um ein riesiges Fernrohr, wahrscheinlich mit mindestens sechzig- oder siebzigfacher Vergrößerung und einem zusammenklappbarem Stativ. Derartige Fernrohre gab es auf unserer Seite einfach nicht, und wir benötigten sie verzweifelt. Wir brachten es triumphierend hinaus und lehnten es an die Brustwehr, um es später wegzutragen.
In diesem Augenblick schrie jemand, die Faschisten näherten sich. Bestimmt war der Lärm des Gewehrfeuers viel lauter geworden. Aber es war offensichtlich, daß die Faschisten nicht von rechts zum Gegenangriff antreten würden, denn das hätte bedeutet, daß sie durch das Niemandsland kommen und ihre eigene Brustwehr angreifen müßten. Wenn sie überhaupt etwas Verstand hatten, würden sie uns von der Innenseite der Kampflinie her angreifen. Ich ging auf die andere Seite der Unterstände. Die
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