Mein Katalonien
die dortigen Arbeiter zu entwaffnen, von denen die meisten Anhänger der C.N.T. waren. Schon seit einiger Zeit hatten schwere Unregelmäßigkeiten im Dienst zu einem Skandal geführt. Draußen auf der Plaza de Cataluña versammelte sich eine große Menge, während die Anhänger der C.N.T. Widerstand leisteten und sich von Stockwerk zu Stockwerk bis zum Dach des Gebäudes zurückzogen. Der Zwischenfall war sehr undurchsichtig, aber es hieß, die Regierung sei hinter den Anarchisten her. Die Straßen waren voller bewaffneter Männer… Bei Anbrach der Nacht war jedes Zentrum der Arbeiter und jedes Regierungsgebäude verbarrikadiert. Gegen zehn Uhr wurden die ersten Gewehrsalven gefeuert und klingelten die ersten Ambulanzen durch die Straßen. Bei Tagesanbruch wurde in ganz Barcelona geschossen… Während sich der Tag hinzog und die Zahl der Toten auf über hundert anschwoll, konnte man ahnen, was sich ereignete. Theoretisch waren die anarchistische C.N.T. und die sozialistische U.G.T. nicht »auf die Straße gegangen«. Solange sie hinter den Barrikaden blieben, warteten sie nur aufmerksam, das aber schloß das Recht ein, auf jeden zu schießen, der sich bewaffnet auf offener Straße zeigte… (die) allgemeinen Zusammenstöße wurden durch pacos noch schlimmer gemacht – dabei handelte es sich um einzelne Männer, gewöhnlich Faschisten, die sich auf den Dächern versteckten und einfach in die Gegend schossen und so die allgemeine Panik steigerten… Am Mittwoch abend aber wurde es klar, wer hinter der Revolte stand. Alle Wände waren mit aufrührerischen Plakaten beklebt worden, die die sofortige Revolution und die Erschießung aller republikanischen und sozialistischen Anführer forderten. Sie waren unterzeichnet von den ›Freunden Durrutis‹. Am Donnerstag morgen leugnete die anarchistische Tageszeitung jegliche Kenntnis oder Sympathie mit diesem Plakat, aber La Batalla , die Zeitung der P.O.U.M. druckte das Dokument, begleitet von höchstem Lob, ab. Als erste Stadt in Spanien wurde Barcelona durch agents provocateurs in ein Blutbad gestürzt, indem sie sich dieser umstürzlerischen Organisation bedienten.
Das stimmt nicht ganz mit den kommunistischen Ansichten überein, die ich vorher hier zitiert habe, aber man wird sehen, daß dieser Bericht in sich selbst Widersprüche enthält. Zunächst wird die Auseinandersetzung als »eine trotzkistische Revolte« beschrieben. Dann wird sie als Folge des Angriffes auf das Telefongebäude hingestellt, und gleichzeitig wird behauptet, man habe allgemein geglaubt, die Regierung habe es auf die Anarchisten abgesehen. Die Stadt ist verbarrikadiert, und sowohl die C.N.T. wie auch die U.G.T. stehen hinter den Barrikaden. Zwei Tage später erscheint das aufrührerische Plakat (in Wirklichkeit ein Flugblatt), und damit wird stillschweigend der eigentliche Grund der ganzen Geschichte erklärt – also Wirkung vor Ursache. Hier findet sich noch eine andere falsche Erklärung. Mr. Langdon-Davies beschreibt die ›Freunde Durrutis‹ und die Freie Jugend als von der P.O.U.M. »kontrollierte Organisationen«. Beide waren anarchistische Organisationen und hatten keine Verbindung mit der P.O.U.M. Die Freie Jugend war die Jugendliga der Anarchisten und entsprach der J.S.U. in der P.S.U.C. und so weiter. Die ›Freunde Durrutis‹ waren eine kleine Organisation in der F.A.I. und erbitterte Gegner der P.O.U.M. Soweit ich beurteilen kann, gab es niemanden, der in beiden gleichzeitig Mitglied war. Es wäre genauso richtig zu sagen, daß die Sozialistische Liga eine von der englischen liberalen Partei »kontrollierte Organisation« sei. Wußte Mr. Langdon-Davies das nicht? Wenn ja, sollte er mit größerer Vorsicht über dieses sehr komplexe Thema geschrieben haben.
Ich möchte den guten Glauben des Mr. Langdon-Davies nicht in Abrede stellen, aber er gab selbst zu, daß er, sobald die Kämpfe vorbei waren, Barcelona verließ, also in dem Augenblick, da er ernsthafte Nachforschungen hätte anstellen können. In seinem ganzen Bericht finden sich deutliche Zeichen dafür, daß er die offizielle Version von der »trotzkistischen Revolte« ohne ausreichende Beweise übernommen hat. Das wird sogar in dem von mir zitierten Auszug deutlich. Die Barrikaden werden »bei Anbruch der Nacht« gebaut, und die ersten Gewehrsalven werden »gegen zehn Uhr gefeuert«. Das sind nicht die Worte eines Augenzeugen. Hiernach würde man annehmen, daß es üblich ist zu warten, bis der Feind eine Barrikade baut,
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