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Mein Katalonien

Titel: Mein Katalonien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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Telefonamt am Nachmittag des 3. Mai. Während die Polizisten ihrer Pflicht nachgingen, wurden sie beschossen. Das war das Signal für die Provokateure, mit Schießereien und Krawallen in der ganzen Stadt zu beginnen.
    Und hier der Inprecor vom 29. Mai:
    Nachmittags um drei Uhr begab sich der Kommissar für die öffentliche Sicherheit, Kamerad Salas, zum Telefonamt, das in der vorhergehenden Nacht von fünfzig Mitgliedern der P.O.U.M. und anderen, unkontrollierbaren Elementen besetzt worden war.
    Das klingt doch recht seltsam. Man muß ja wohl die Besetzung des Telefonamtes durch fünfzig Mitglieder der P.O.U.M. als einen ziemlich auffälligen Zwischenfall bezeichnen, und man hätte erwartet, daß damals jemand etwas bemerkt hätte. Es scheint aber, daß dieser Zwischenfall erst drei oder vier Wochen später entdeckt wurde. In einer anderen Ausgabe des Inprecor werden aus den fünfzig Mitgliedern der P.O.U.M. fünfzig P.O.U.M.-Milizsoldaten. Es wäre schwierig, noch mehr Widersprüche zusammenzupacken, als schon in diesen wenigen, kurzen Passagen enthalten sind. Gerade greift die C.N.T. das Telefonamt an, und schon werden sie selbst dort angegriffen. Ein Flugblatt zirkuliert vor der Eroberung des Telefonamtes und ist die Ursache dafür oder aber genau umgekehrt, es erscheint hinterher und ist das Ergebnis davon. Abwechselnd sind die Männer im Telefonamt Mitglieder der C.N.T. oder der P.O.U.M. und so weiter. In einer noch späteren Ausgabe des Daily Worker (vom 3.Juni) informiert uns Mr. J.R. Campbell, daß die Regierung nur deshalb das Telefonamt besetzte, weil die Barrikaden schon errichtet worden waren!
    Aus Platzmangel habe ich nur die Berichte über einen Zwischenfall wiedergegeben, aber in allen Berichten der kommunistischen Presse finden sich die gleichen Widersprüche. Zusätzlich gibt es verschiedene Erklärungen, die offensichtlich reine Erfindungen sind. Hier ist zum Beispiel eine Meldung aus dem Daily Worker (vom 7. Mai), die angeblich von der spanischen Botschaft in Paris veröffentlicht wurde:
    Es war ein bezeichnender Zug des Aufstandes, daß die alte monarchistische Fahne auf den Balkons verschiedener Hausei in Barcelona gezeigt wurde. Dies geschah zweifellos in dem Glauben, daß die Beteiligten schon Herren der Lage seien.
    Sehr wahrscheinlich druckte der Daily Worker diese Erklärung im guten Glauben ab. Aber die Verantwortlichen für diese Meldung in der spanischen Botschaft müssen ganz absichtlich gelogen haben. Jeder Spanier mußte die heimischen Verhältnisse besser kennen. Eine monarchistische Fahne in Barcelona! Das wäre das einzige gewesen, was die sich bekämpfenden Parteien augenblicklich vereinigt hätte. Selbst die Kommunisten an Ort und Stelle mußten lächeln, als sie davon lasen. Das gleiche gilt für die Berichte in verschiedenen kommunistischen Zeitungen über Waffen, die angeblich von der P.O.U.M. während des »Aufstandes« eingesetzt wurden. Diese Berichte sind nur für den glaubwürdig, der absolut gar nichts über die Tatsachen weiß. Im Daily Worker vom 17. Mai erklärt Mr. Frank Pitcairn:
    Während des Aufruhrs wurden tatsächlich alle möglichen Waffen eingesetzt. Es handelte sich um Waffen, die seit Monaten gestohlen und versteckt worden waren, darunter auch Tanks, die gleich zu Beginn des Aufruhrs aus den Kasernen gestohlen wurden. Es ist klar, daß Dutzende von Maschinengewehren und einige tausend Gewehre noch immer im Besitz der Aufständischen sind.
    Der Inprecor (vom 29. Mai) erklärt außerdem: Am 3. Mai standen der P.O.U.M. einige Dutzend Maschinengewehre und einige tausend Gewehre zur Verfügung. Auf der Plaza d’ Espagna brachten Trotzkisten »75er«-Kanonen in Stellung, die für die Front in Aragonien bestimmt waren und die die Miliz sorgfältig in ihren Kasernen versteckt gehalten hatte.
    Mr. Pitcairn erzählt uns nicht, wie und wann es bekannt wurde, daß die P.O.U.M. Dutzende von Maschinengewehren und einige tausend Gewehre besaß. Nach meiner Schätzung waren, wie ich berichtet habe, etwa achtzig Gewehre, einige Handgranaten und keine Maschinengewehre in drei der wichtigsten Gebäude der P.O.U.M. Das heißt also, gerade genug für die bewaffneten Wachen, die damals alle politischen Parteien vor ihren Gebäuden aufstellten. Es scheint ungewöhnlich zu sein, daß hinterher, nachdem die P.O.U.M. unterdrückt und ihre sämtlichen Gebäude besetzt wurden, diese vielen tausend Waffen niemals ans Tageslicht kamen; besonders die Tanks und die Feldkanonen, denn das

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