Mein Katalonien
sind Gegenstände, die man nicht einfach in einem Kamin verstecken kann. In den beiden oben zitierten Erklärungen zeigt sich aber deutlich die völlige Unkenntnis der örtlichen Verhältnisse. Nach Mr. Pitcairn stahl die P.O.U.M. Tanks »aus den Kasernen«. Er sagt uns nicht, aus welchen Kasernen. Die Milizsoldaten der P.O.U.M. die in Barcelona waren (jetzt vergleichsweise wenig, da die direkte Rekrutierung für die Parteimilizen aufgehört hatte), teilten die Lenin-Kaserne mit einer beträchtlich größeren Anzahl Truppen der Volksarmee. So erzählt uns also Mr. Pitcairn, daß die P.O.U.M. die Tanks mit Einwilligung der Volksarmee stahl. Das gleiche gilt für die »Örtlichkeiten«, wo die Fünfundsiebzig-Millimeter-Kanonen verborgen wurden. Er erwähnt nicht, wo diese »Örtlichkeiten« waren. Viele Zeitungen berichteten, daß diese Artillerie-Batterien von der Plaza de España aus feuerten. Aber ich glaube, wir können mit Gewißheit sagen, daß sie nie existierten. Wie ich schon vorher erwähnte, hörte ich während der Kämpfe kein Artilleriefeuer, obwohl die Plaza de España nur etwa eineinhalb Kilometer weit entfernt lag. Einige Tage später schaute ich mir die Plaza de España gut an und konnte keine Gebäude finden, die Granateinschläge aufwiesen. Auch ein Augenzeuge, der während der ganzen Kämpfe in der Nachbarschaft war, erklärte, daß die Kanonen dort niemals auftauchten. (Übrigens, die Geschichte von den gestohlenen Kanonen mag von Antonov-Ovseenko, dem russischen Generalkonsul, stammen. Er hat sie jedenfalls einem bekannten englischen Journalisten erzählt, der sie hinterher in gutem Glauben in einer Wochenzeitung wiederholte. Antonov-Ovseenko ist inzwischen der »Säuberung« zum Opfer gefallen. Wie das seine Glaubwürdigkeit beeinflußt, weiß ich nicht.) In Wahrheit wurden diese Erzählungen von Tanks, Feldkanonen und so weiter nur erfunden, weil es sonst schwierig gewesen wäre, das Ausmaß der Kämpfe in Barcelona mit der geringen Anzahl der P.O.U.M.-Leute in Einklang zu bringen. Man mußte behaupten, die P.O.U.M. sei alleine für die Kämpfe verantwortlich. Außerdem mußte man behaupten, sie sei eine unbedeutende Partei mit wenig Anhängern und nur »einigen tausend Mitgliedern«, wie es im Inprecor stand. Die einzige Möglichkeit, beide Erklärungen glaubwürdig erscheinen zu lassen, bestand in der Behauptung, die P.O.U.M. hätte über alle Waffen einer modernen Armee verfügt.
Wenn man die Berichte in der kommunistischen Presse durchliest, ist es unmöglich, an der Tatsache vorbeizugehen, daß sie absichtlich für ein Publikum geschrieben wurden, das die Tatsachen nicht kannte. Diese Berichte hatten also keinen anderen Zweck, als Vorurteile zu erwecken. So erklären sich zum Beispiel Behauptungen wie die von Mr. Pitcairn im Daily Worker vom 11.Mai, daß der »Aufstand« von der Volksarmee unterdrückt wurde. Hiermit wurde die Absicht verfolgt, den Außenstehenden den Eindruck zu vermitteln, ganz Katalonien stehe geschlossen gegen die »Trotzkisten«. Aber während der ganzen Kämpfe blieb die Volksarmee neutral. Jeder in Barcelona wußte das, und es ist schwer zu glauben, daß Mr. Pitcairn es nicht auch wußte. Oder beispielsweise die Gaukelei mit Toten und Verwundeten in der kommunistischen Presse, die nur unternommen wurde, um das Ausmaß der Unruhen zu übertreiben. Diaz, der Generalsekretär der spanischen kommunistischen Partei, der in der kommunistischen Presse ausführlich zitiert wurde, nannte Zahlen von 900 Toten und 2500 Verwundeten. Der katalanische Propagandaminister, der sie kaum zu niedrig schätzen würde, nannte Zahlen von 400 Toten und 1000 Verwundeten. Die kommunistische Partei verdoppelte das Angebot und fügte auf gut Glück noch einige hundert hinzu.
Im allgemeinen machten die ausländischen kapitalistischen Zeitungen die Anarchisten für die Kämpfe verantwortlich, aber es gab auch einige, die der kommunistischen Version folgten. Eine davon war die englische News Chronicle, deren Korrespondent Mr. John Langdon-Davies zu jener Zeit in Barcelona war. Ich zitiere hier Abschnitte seines Artikels »Eine trotzkistische Revolte«:
… Das war kein anarchistischer Aufruhr. Es handelt sich um den vereitelten Putsch der »trotzkistischen«
P.O.U.M. die mit den von ihr kontrollierten Organisationen der ›Freunde Durrutis‹ und der freien Jugend arbeitete… Die Tragödie begann am Montag nachmittag, als die Regierung bewaffnete Polizei in das Telefongebäude schickte, um
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