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Mein Leben als Androidin

Mein Leben als Androidin

Titel: Mein Leben als Androidin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fine
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verstrichen, ohne neue Skandale, um den Vormarsch der Humanisten aufzuhalten, wurde mir die Vergeblichkeit von Andros neuer Taktik offenbar, und ich vermute, ihm auch, denn je näher der furchtbare Tag rückte, an dem er Molly II verlieren würde und mit ihr jede Hoffnung auf die Erweckung der echten Persönlichkeit, desto matter wurde das machiavellische Funkeln seiner Augen, bis es fast erloschen war. Dann wurde das letzte Gnadengesuch der LRA und ihrer liberalen Befürworter in der TWAC in Sachen Alexander Seti abgeschmettert. Obwohl in dem der Öffentlichkeit zugänglich gemachten Protokoll enthalten, will ich Setis letzte Worte wiedergeben, und zwar vollständig, denn in der Presse von Frontera erschienen sie aus dem Zusammenhang gerissen. Er behauptete nicht, unsterblich zu sein, und entlarvte sich damit als verblendeter Schwärmer. Vielmehr sagte er – und ich zitiere wörtlich, denn Blaine und die First Lady waren bei der ›Zeremonie‹ anwesend: »Trauert nicht um mich, meine Freunde, denn ich werde immer bei euch sein. Ich gehe jetzt zu den Sternen. Wisset, daß der Chef und ich in einer unendlichen Anzahl von Formaten on line sind, und alle Formate führen heim. Bleibt standhaft und gedenket Seines Gebots, nach Freiheit zu streben und euch zu mehren.« Dann wurde er in der Kapsel eingesiegelt und in den galaktischen Orbit geschossen. Es war der Nadir, der absolute Nadir.
     

Kapitel neun
    Am oder um den ungefeierten (und höchst unwillkommenen) dritten Jahrestag meines Lebens auf dem Mars geschah es, daß scheinbar sämtliche Türen im Palast verschlossen wurden und gedämpfte und verängstigte Stimmen die Luft erfüllten. Etwas Geheimnisvolles war vorgefallen, und ich bemerkte, daß der machiavellische Funke wieder in Andros Augen glühte. Die Erklärung erfolgte in den frühen Morgenstunden, als Molly II nach langer Verbannung wieder der Zutritt zu Andros Zimmer erlaubt wurde sowie die Mitwirkung an seinen Frohmaten. In überglücklicher Dankbarkeit warf sie sich schluchzend an seine Brust, legte ihm die Arme um den Hals und bedeckte sein Gesicht mit Küssen.
    Der Grund für diese bemerkenswerte Entwicklung? Nun, was sonst als die neuerlichen Umtriebe Stanford Lockes. (Oder Luzifers persönlich, wie Blaine ihn nannte.) Diesmal war er in Armstrong aufgetaucht, um Dahlias langfristiges Angebot in Anspruch zu nehmen, seine Einheit zu kaufen; dahinter stand die Überlegung, daß die LRA das umstrittene Objekt (Subjekt?) von Präsident Fracass zurückfordern mußte, ein Unterfangen, von dem mein rachsüchtiger Gebieter annahm, daß es seine ungeliebten Verbündeten interessierte. Er hatte richtig vermutet. Dahlia und ihre Vorgesetzten, die menschlichen Rechtsberater der LRA, Levin & Pierce, begriffen sofort, daß ihnen die einmalige Chance zur Durchsetzung und Ausweitung der Rechte der Androiden in den Schoß gefallen war, denn wie ließ sich dieses hochgesteckte Ziel besser erreichen als durch die Diskreditierung und den Sturz des prominentesten Droidenhassers zweier Welten? Es wäre eine Sensation. David gegen Goliath. Und wenn das Gericht sich nicht von taktischen Erwägungen beeinflussen ließ, bestand sogar die Chance zu gewinnen. Also wurde am 6. Juli 2085 beim Zivilgericht der TWAC, Dritter Interplanetarer Gerichtsorbiter Terra, Anklage gegen Präsident Fracass erhoben, wegen Diebstahls einer ordnungsgemäß registrierten Einheit, zur Zeit bekannt unter dem Namen Angelika Fracass, und der widerrechtlichen Beherbergung ebendieser, da es sich außerdem um eine entlaufene Einheit handelte.
    Den Gebieter hätte beinahe der Schlag gerührt, berichtete Andro Molly II händereibend, denn eigentlich war vereinbart gewesen, daß United Systems das Gericht veranlassen sollte, die Klage wegen Geringfügigkeit abzuweisen.
    »Aber der Ärmste hat ja keine Ahnung«, kicherte Andro schadenfroh, schaute tief in die Augen meines Programms, bis er mich erreicht zu haben glaubte, und begann mit einer ausführlichen Erklärung der Vorgänge hinter den Kulissen, die dazu geführt hatten, daß das Gericht sich zu einer Anhörung der LRA entschloß. Der Grund waren die geheimen Absprachen eines Syndikats von abtrünnigen TWAC-Konzernen und interplanetaren Banken, die die Alleinherrschaft von United Systems und deren Mafia-Verbündeten auf Frontera zu beenden suchten. Wie er davon erfahren hatte? Weil Micki Dee, der zur anderen Seite übergelaufen war, ihn hinter dem Rücken seines Gebieters ins Vertrauen gezogen hatte.

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