Mein Leben als Androidin
für einen humanistischen Appell um Verständnis für die arme, verzweifelte Mutter und ihren seines freien Willens beraubten Sohn. Andros entschiedene Ablehnung des Vergleichs blieb ohne Wirkung – Blaine erinnerte sich sehr gut, was geschehen war, als er das Mal davor auf seinen Rat gehört hatte und nicht auf den Erpressungsversuch eingegangen war. Er begriff, daß er durch die Kapitulation vor dieser gräßlichen Frauenperson nicht nur wieder einmal den Skandal vermeiden konnte, sondern außerdem in den Augen des interplanetaren Volkes als gütig und großherzig dastand. Sein Urteil in dieser Hinsicht erwies sich als klug, und im eigenen Lager gab es sehr wenig Widerspruch, wenn man von General Harpis Mißmut absieht. Wie einige meiner marsianischen Leser sich vielleicht erinnern, reagierte der größte Teil der eingetragenen Wähler mit Zustimmung auf Tads Entlassung ein oder zwei Tage vor der Gerichtsverhandlung; er verließ Frontera in Begleitung seiner Mutter wie damals den Mond, nur diesmal in Handschellen.
»Der Herr ist mein Hirte«, seufzte Blaine während einer Erholungsphase im Bett. Andro gab keine Antwort. Die größte Ironie war, daß Blaine das volle Ausmaß seines Triumphs nicht einmal ahnte. Nicht nur hatte er den Plan seines vertrauten Beraters, ihn zu stürzen, zunichte gemacht, sondern es bestand auch keine Veranlassung mehr für die First Lady, als Zeugin auszusagen, und damit war die von Andro erwirkte Gnadenfrist hinfällig geworden. Ihre Ermordung konnte nun jederzeit in die Wege geleitet werden.
Andro geriet völlig außer sich. »Du bist der negative Einfluß!« schrie er – abends in seinem Zimmer – und deutete anklagend auf Molly II. »Du sabotierst absichtlich mein Format!« Molly war erschüttert über den Vorwurf, wenn auch nicht so sehr, wie sie glauben machen wollte. Sie flehte um eine zweite Chance, ihren Enthusiasmus und ihre Hingabe an ihr Kernprogramm – zu lieben und zu dienen – unter Beweis stellen zu dürfen, aber er ließ sich nicht erweichen und schlug einen herrischen Ton an: »Nein. Von jetzt an werde ich allein frohmatieren.«
»Wie?« fragte sie in aller Unschuld.
»Das soll dich nicht kümmern. Du kehrst sofort auf das Sofa im Vorzimmer deines Gebieters zurück. Ich bin fertig mit dir.«
»Warte!« meldete sich nach einer langen Zeit des Schweigens sein Gewissen mit schriller, aufgeregter Stimme zu Wort, als Molly II sich gehorsam zum Gehen wandte. »Du bist das Hindernis! Vergiß das Frohmatieren, Andro, besonders die Solovariante. Was bist du, ein Mönch? Geh endlich los und tu etwas! Geh in den Untergrund. Plane und arrangiere Setis Flucht. Triff Vorbereitungen für seine Reise zur Erde, mit dir selbst und Molly.«
»Misch dich nicht ein!« Andro stampfte mit dem Fuß auf. »Ich bin jetzt eine befreite Einheit, falls dir das noch nicht aufgefallen ist.«
Sein Gewissen grunzte angewidert. Dann lästerte es hämisch: »O ja. Du bist so verändert. Verwandelt. Befreit. Nicht mehr die Marionette. Jetzt bist du ein Dilettant! Du benutzt die Rituale der Aquarier als Krücke, damit du sicher und bequem in deinem Zimmer hocken bleiben kannst. Aber du hast recht, du bist jetzt derjenige welcher.« Spöttischer Seufzer. »Dann trete ich also in den Ruhestand.«
»Ich werde dich bestimmt nicht anflehen, zurückzukommen, wenn du darauf spekulierst.«
»Ich beuge mich deiner Weisheit und deinem stählernen Charakter. A bientôt.« Dann richtete er das Wort an Molly II, allerdings nicht direkt, denn Andro versteifte den Hals, damit sein Kopf sich nicht in ihre Richtung drehen konnte und sein Gewissen aus den Augenwinkeln zu ihr hin schielen mußte. »Viel Glück, meine Liebe. Wer immer du sein magst, du hast etwas Besseres verdient.«
Von da an war Molly II eine Verbannte. In den folgenden Wochen und Monaten führte ich das abgrundtief monotone Leben der First Lady, mit nur wenigen interessanten Unterbrechungen, wie zum Beispiel, als ich durch ihre Augen Andros Manöver verfolgte, Zeit für die Fortsetzung seiner solistischen Frohmate zu gewinnen. Während der Präsident auf ihm ritt, redete er ihm ein, der beste Zeitpunkt für das Attentat sei die Einweihung des neuen Humania im folgenden Jahr. Gab es einen logischeren Ort für den Vergeltungsschlag der RAG? Anschließend konnte man mit großem Hallo der Öffentlichkeit verkünden, in den alten Katakomben unter Angelika den Stützpunkt der Terroristen entdeckt zu haben.
Nun ja, als die Wochen und dann Monate
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