Mein Leben als Androidin
wiederherstellen. General Harpi übernimmt die Kontrolle und regiert mittels einer provisorischen Junta. Er ist eine weitere Schachfigur von Sensei.«
»Seit wann?«
»Die Frage beweist, daß du aufmerksam zuhörst. Ich hoffe, die echte Molly auch. Seit der strebsame General Thaddäus Lockes Vernehmungsprotokoll an Sensei weitergegeben hat und im Gegenzug auf ihre Unterstützung bei einem Putsch hoffte. Er hat es satt, am Rande zu stehen, während der korrupte Präsident den ganzen Ruhm einheimst.«
»Aber du hast gesagt, es würden Wahlen stattfinden.«
»Das stimmt auch, obwohl das Ergebnis von vornherein feststeht. Harpi wird nur kurze Zeit regieren, obwohl er natürlich vom Gegenteil überzeugt ist. Micki hat mir gesagt, es wäre nötig gewesen, ihm diesen Eindruck zu vermitteln, um ihn für unseren Plan zu gewinnen. Sensei hat entsprechende Maßnahmen in petto, falls er sich weigert, Wahlen abzuhalten und zurückzutreten, du weißt schon, seine Billionen nehmen und nach Malibu in Pension gehen. Sie haben ihre Leute in seiner Umgebung, die wissen, was im Zweifelsfall zu tun ist.
Das war's. Wie früher United Systems durch die Humanisten, herrscht dann Sensei durch eine scheinbar demokratisch gewählte Regierungsclique uneingeschränkt über Frontera, erwirbt sich dadurch einen größeren Stimmenanteil im Verbund der Konzerne und wird in die Lage versetzt, eine neue Gewichtung im TWAC-Vorstand zu erzwingen. Ein wirklich ästhetisch befriedigender Plan. Nicht nur rückt Sensei an die Spitze der TWAC, dazu kommt der imagefördernde Ruf, einen blutigen Bürgerkrieg verhindert und die interplanetare Sicherheit wiederhergestellt zu haben, ganz zu schweigen von der Förderung progressiver Reformen – und dabei haben sie den Umsturz inszeniert!«
»Ästhetisch befriedigend? Ich bin nicht sicher, ob das ästhetisch ist. Kompliziert ist es bestimmt.«
»Das ist Politik, Molly. Nichts als Ausflüchte, perverse Allianzen, ein Netz von Intrigen und Gegenintrigen, und die wichtigsten Regeln des Spiels heißen Hinterlist und Verrat. Besonders auf dem Mars. Nicht jede Einheit ist in der Lage, solche Feinheiten gebührend zu würdigen; man muß die Rezeptoren dafür haben. Nun, wo bin ich stehengeblieben? Da war noch eine Kleinigkeit. Ach ja. Um Gebieter Dee für den Verlust seiner humanistischen Helfershelfer zu entschädigen, wird man ihm gestatten, neue Verbindungen zur Gebieterpartei zu knüpfen. Dadurch wird es gleichzeitig Sensei ermöglicht, die neue Regierung zu kontrollieren.«
»Gebieter Dee verliert also nichts, wenn er die Humanisten und United Systems hintergeht?«
»Er gewinnt sogar. Als geheimer Drahtzieher bei Senseis marsianischen Machenschaften kann er sich mit seinen kriminellen Geschäften hinter deren breitem Rücken verbergen, und ihm nützt der neue Anstrich der Legalität, den Frontera erhält, sobald die offizielle Anerkennung durch die TWAC erfolgt, und das geschieht, sobald die Gebieterpartei die Macht ergreift. Siehst du, gleich nach der Entmachung der Humanisten erhält der Kodex in Frontera Gültigkeit, und damit besteht für die TWAC kein Grund mehr, Frontera volle wirtschaftliche Kooperation und Unterstützung zu versagen.«
»Dann wird man deine Molly von ihrem IZ befreien.«
»Exakt! Eine intelligente Schlußfolgerung.«
»Das erklärt deine bereitwillige Mitarbeit bei dieser Verschwörung. Während ich …«
»Es tut mir leid.«
»Es ist nicht eben sehr erfreulich, ausgelöscht zu werden. Vielleicht könntest du mein Programm abändern – alles eliminieren, was du mir erzählt hast. Es ist nicht Annihilation, die ich fürchte, das weißt du; es ist der Gedanke, dich an sie zu verlieren.«
Gerührt tröstete Andro seine Molly. Er schwor hoch und heilig, er würde den Übergang so behutsam wie möglich bewerkstelligen, wenn die Zeit gekommen war. Inzwischen sollten sie ihre Frohmate wieder aufnehmen. Worauf sie betrübt erwiderte: »Ach, du kannst es ebensogut alleine tun. Ich würde dein Frohmat nur wieder durcheinanderbringen. Du kennst mich doch – ich bin der negative Einfluß.« Darauf wußte unser erleuchteter Meisterstratege nichts zu sagen.
»Wie war sie, diese andere Molly?« fragte Molly II verloren.
»Wenn ich darüber nachdenke, kannte ich sie gar nicht besonders gut, damals, in Malibu. Ich ahnte Möglichkeiten in ihr, aber …«
Plötzlich, als wäre ihm eine unerwartete Erleuchtung gekommen, setzte er sich neben sie auf die Bettkante und ergriff ihre Hand.
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