Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein Leben nach der Todeszelle (German Edition)

Mein Leben nach der Todeszelle (German Edition)

Titel: Mein Leben nach der Todeszelle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Damien Echols
Vom Netzwerk:
eine Braille-Schrift liest.
    10. JULI
    Ist ein Weilchen her, dass ich geschrieben habe, ja? Ich musste mir einfach ein bisschen freinehmen. Ich war erschöpft und verschlissen und wütend auf diejenigen, die dafür verantwortlich sind, dass diese Situation sich noch ein Jahr hinschleppt.
    Diese Zeit des Jahres ist immer hart. Juli und August scheinen langsamer zu vergehen als das gesamte restliche Jahr. Ich sehne mich mit jeder Faser meines Wesens nach jenen magischen Herbsttagen. Das Verlangen nach der Wiederkehr des Oktober reicht bis tief in meine Knochen. Ich brauche diese kurzen Tage und langen Nächte, wenn jeder Augenblick spukhaft und schön ist. Ich möchte » Christian Woman « von Type O Negative hören, während ich das Haus mit Kerzen und Kürbislaternen fülle. Ich möchte Zimt und Drachenblutweihrauch riechen, während ich den Großen Kürbis sehe und karamellisierte Äpfel esse. Ich möchte eine Halloween-Party mit Übernachtung feiern.
    24. JULI
    Wussten Sie, dass Christoph Columbus Nixen gesehen hat? Tatsächlich hat er sie so oft gesehen, dass sie gar nichts Ungewöhnliches für ihn waren. In normalen Schulbüchern erfährt man von dieser Tatsache nichts, aber sie ist ganz leicht zu finden. Werfen Sie einen Blick in sein Kapitänslog vom 9. Januar 1493. An diesem einen Tag berichtet er von dreien, die er gesichtet hat. Und im Jahr 1531 haben die Bewohner eines kleinen Dorfes an der deutschen Küste Berichten zufolge ein solches Wesen gefangen. Sie nannten es » Seebischof « , es war männlich und verhungerte, weil es sich weigerte, etwas zu sich zu nehmen.
    Was ich damit sagen will? Die Welt ist voller Magick und Wunder, und die meisten werden vollständig ignoriert. Die Menschen beglückwünschen sich dazu, die Welt restlos begriffen zu haben, aber nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein. Ich habe in letzter Zeit oft darüber nachgedacht, dass so viele Menschen ihr Leben vor dem Fernseher verbringen und jedes Phänomen, das keine eigene » Reality Show « hat, als » unwirklich « abtun. Überlegen Sie mal, zu wie vielen Orten Sie mit dem Auto gefahren sind – zum Beispiel zum Supermarkt. Aber nie sind Sie wirklich ausgestiegen und haben den Raum zwischen Ihrem Heim und dem Laden erkundet. Wer weiß, was Sie in diesen » vertrauten « Gegenden finden würden, wenn Sie sie wirklich erforschen wollten?
    1. AUGUST
    Die Erntezeit ist endlich da. Sie beginnt mit dem heutigen Tag. Die nächste Station auf dem Rad des Jahres ist die herbstliche Tag-und-Nacht-Gleiche. Den Beginn der Erntezeit habe ich immer als eine Treppe gesehen, die uns hinunter in den dunklen, magischen Teil des Jahres führt, wo alle guten Dinge warten, die kühle, tröstende Energie, die sich mehr wie ein Zuhause anfühlt, als irgendein Ort das könnte. Heute stehen wir oben auf dem Absatz dieser Treppe. Wir brauchen nur einen Fuß vor den anderen zu setzen, und ehe wir uns versehen, schauen wir wieder den Großen Kürbis. Und dann … das Hearing im Dezember. Wenn Sie zu dem Hearing kommen, werden wir meinen siebenunddreißigsten Geburtstag zusammen feiern. Das wird aufregend, nicht wahr? Es ist mein neunzehnter Geburtstag im Gefängnis.

ACHTUNDZWANZIG
    Das ist das Ende meiner Aufzeichnungen aus dem Todestrakt. Am Morgen des Samstags, des 6. August 2011, rief ich Lorri an, und als sie sich meldete, klang ihre Stimme völlig verändert. » Ich muss mit dir über etwas sehr Wichtiges reden « , sagte sie, und sofort nahm ich an, ich hätte etwas falsch gemacht, aber das Gegenteil war der Fall. Lorri erzählte mir, mein Anwalt Steve Braga habe ihr am Abend zuvor eine E-Mail geschickt und um ein Gespräch mit ihr gebeten, bevor sie und ich miteinander redeten. Braga und Patrick Benca (der für uns zuständige Staatsanwalt von Arkansas) hatten ein Gespräch mit Generalstaatsanwalt Dustin McDaniel gehabt. Nach einigem Hin und Her hätten McDaniel und Scott Ellington (der Vertreter der Anklage für das County) das Angebot unterbreitet, uns alle drei freizulassen, wenn wir uns schuldig bekannten. Braga hatte dieses Angebot abgelehnt, da es erfordert hätte, dass ich mich restlos und vollständig schuldig bekannte – Punkt. Im Gegenzug legte Braga das so genannte Alford-Anerkenntnis auf den Tisch: Wir würden uns alle drei schuldig bekennen, aber auf unserer Unschuld beharren. Der Staat würde uns freilassen, aber nicht freisprechen.
    Ich dachte, ich bekomme einen Herzinfarkt. Mein erster Gedanke war: Sagt denen irgendwas.

Weitere Kostenlose Bücher