Mein Leben nach der Todeszelle (German Edition)
Sagt ihnen, ich habe getan, was immer sie wollen, wenn sie mich nur freilassen. Ich stand vor dem Zusammenbruch; meine Seele war beschädigt, und mit meiner körperlichen Gesundheit sah es noch schlimmer aus. Die Freiheit war so schrecklich nah.
Wir beendeten das Telefonat, und eine Woche der reinsten Höllenqualen begann. Oft glaube ich, sie war schlimmer als die vergangenen achtzehn Jahre zusammen. Es war nicht eben hilfreich, dass ich seit Tagen kaum noch geschlafen oder gegessen hatte. Als das Angebot kam, wusste ich, dass ich nicht mehr viel Zeit hatte. Ich würde sterben. Mit jedem Tag, der verging, wurde ich ein bisschen schwächer und ein bisschen kränker. Außerdem ließen meine Augen mich im Stich. Wenn ich diesen Deal nicht akzeptierte, würde die Staatsanwaltschaft den Fall noch jahrelang hinziehen – und ein neues Gerichtsverfahren wäre ein schreckliches Risiko. Ich würde im Leben nicht mehr aus diesen Mauern hinauskommen. In diesem Augenblick war ich bereit zu tun, was Gerichte und Anwälte wollten, nur um nicht eines elenden Todes in einer dreckigen Gefängniszelle zu sterben.
Als Benca und Jasons und Jessies Anwälte am Montag, dem 8., im Büro der Generalstaatsanwaltschaft in Little Rock eintrafen, fanden sie dort zu ihrer Überraschung den Konferenztisch umringt von Staatsanwälten in ihren besten Anzügen und Krawatten. Anscheinend meinten McDaniel und Co. die Sache ernst. Sie wollten das bevorstehende Hearing, das unausweichlich zur Eröffnung eines neuen Verfahrens für uns führen würde, unbedingt vermeiden. Sie wollten diesen Fall zu den Akten legen und ihn endgültig aus ihrem Leben entfernen. Irgendwann wandte McDaniel sich an Braga und fragte: » Schafft uns das Lorri Davis vom Hals? « An diesem Tag waren also alle aufgekreuzt, um dafür zu sorgen, dass der Deal glattging. Als McDaniel jeden unserer Anwälte, angefangen mit meinem, um mündliche Zustimmung und Anerkennung des Deals ersuchte, begann die Sache auseinanderzubrechen. Benca stimmte zu, Jessies Anwalt stimmte zu, aber als Jasons Anwalt an der Reihe war, erklärte er, sie seien nicht bereit, den Deal zu akzeptieren, denn sie hätten ihn noch nicht mit ihrem Mandanten erörtert. Wie ich hörte, ging McDaniel an die Decke. Er wollte sofort im Gefängnis anrufen und Jason ans Telefon holen. Jasons Anwalt entgegnete, das reiche nicht, er wolle die Sache mit seinem Mandanten persönlich besprechen. McDaniel versprach, ihm noch am selben Tag, ja, binnen wenigen Stunden Zugang zum Gefängnis zu verschaffen. Jasons Anwalt lehnte weiterhin ab; er habe einen Schriftsatz zu Hause, an dem er noch arbeiten müsse. Er werde Jason in den nächsten Wochen im Gefängnis besuchen. Wir hätten am nächsten Tag in Freiheit sein können. Sogar McDaniel war geschockt. » Wollen Sie damit sagen, Sie lassen Ihren Mandanten noch wochenlang im Gefängnis sitzen « , fragte er, » obwohl er morgen entlassen werden könnte? «
Und das war’s für diesen Tag. Zu diesem Zeitpunkt hatten alle – Lorri, unser Freund Jacob Pitts und andere – ihr Lager im Capital Hotel aufgeschlagen, und alle Anstrengungen konzentrierten sich darauf, Jason zu kontaktieren. Am Abend des 12. hatte er nach allem, was man wusste, immer noch nicht reagiert und vielleicht noch nicht einmal Nachricht von seinen Anwälten erhalten. Wenn auch nur ein Wort an die Medien durchsickern sollte, hatte die Staatsanwaltschaft erklärt, sei der Deal abgesagt. Also war Geheimhaltung oberstes Gebot. An diesem Abend rief Lorri bei Holly an, der Frau, mit der Jason in den letzten Jahren am häufigsten korrespondiert hatte, und von ihr erfuhr sie, dass Jason sehr wohl von dem Deal gehört – und dass er nein gesagt hatte.
Der Staatsanwalt wollte, dass wir alle drei – Jessie, Jason und ich – den Deal akzeptierten. Andernfalls werde nichts daraus. Im Laufe der Jahre hatte Jason das Gefängnis lieben gelernt. Seine Situation war nicht die gleiche wie meine. Er hatte einen Job, er hatte sich mit den Wärtern angefreundet, und er freute sich tatsächlich auf das nächste Jahr in der Gefängnisschule. Außerdem hatte er schon früher erklärt, er sei nicht bereit, der Staatsanwaltschaft irgendwelche Zugeständnisse zu machen. Dafür hatte ich von ganzem Herzen Verständnis, und ich wusste auch, er glaubte immer noch daran, dass er eines Tages freigesprochen werden und als freier Mann durch das Gefängnistor hinausspazieren würde. Aber seine Anwälte waren nicht annähernd gut genug, und der
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