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Mein letzter Tampon

Mein letzter Tampon

Titel: Mein letzter Tampon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika von Ramin
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und setzt sich auf eine wacklige Holzbank neben einem unbepflanzten Eternitkübel. Und dann rast es ihr durch den Kopf: Wann ist endlich Wochenende? Oh je, schon wieder bei den Schneiders eingeladen. Ich habe nichts zum Anziehen. Zum Friseur muss ich auch noch. Obwohl das auch nichts mehr hilft. Und Britta sieht immer so entsetzlich gut aus. Ich fühle mich so hässlich. Was mache ich heute nur zum Abendessen? Mir fällt überhaupt nichts mehr ein.
    Kaum ist sie wieder im Büro, hat mühsam ihre professionelle Miene aufgesetzt, geht der Horror weiter. Der Chef sucht einen Brief, von dem sie weiß, dass sie den ganz bestimmt in der Akte Personal abgelegt hat. Aber dieser Brief ist nicht da. Einfach nicht zu finden. Heidemarie ist einem hysterischen Anfall nahe. Sie fragt sich, ob sie jetzt allen Ernstes die ersten Anzeichen von Alzheimer bei sich bemerkt. Wie oft hat sie in den letzten Wochen ihre Brille verlegt, die Autoschlüssel gesucht, ist statt ins Bad ins Wohnzimmer gegangen oder konnte sich bei Gott nicht an ihre eigene Telefonnummer erinnern?
    Heidemaries Selbstwertgefühl ist nicht nur im Keller, sondern schon im dritten Untergeschoss der Tiefgarage. Jeder normale Mensch hat mal einen Tag, an dem alles schiefgeht. Aber alles, was jetzt schiefgeht, geht Heidemarie nahe. So nahe, dass sie auf dem besten Weg ist, sich mit ihrem Mann ernsthaft zu zerstreiten, ihrem Chef über den Mund zu fahren und Freunde zu brüskieren. Dabei kann sie sich nicht mal erinnern, was diesen Zustand ausgelöst hat. Sie ist komplett fertig, abgefahrenes Profil wie bei ihrem alten Ford Fiesta.
    Würde es Heidemarie helfen, wenn man zu ihr sagen würde: Heidi, du bist nicht allein. Das geht vielen anderen in deinem Alter genauso. Es gibt keinen Grund, alles und jedes auf dich zu beziehen. Geh mal zum Arzt und lass dir Hormone verschreiben.
    Wahrscheinlich nicht. Aber vielleicht würde es ihr helfen, wenn man sich neben sie stellt, liebevoll über ihren alten Ford Fiesta streicht und sagt: „Mensch Heidi, du hast ein tolles Auto. Früher konnten die noch Autos bauen, die was ausgehalten haben. Zuverlässig bis zum Sankt Nimmerleinstag. Ein paar Lackschäden, aber der Motor summt wie eine Biene. So, wie bei uns.“
    Wetten, dass Heidis Tag gerettet wäre? Und nicht nur dieser Tag. Wahrscheinlich würde sie sich jeden Morgen in ihr Auto setzen und ihm zuflüstern: „Komm, Kleiner, jetzt zeigen wir mal, was noch in uns steckt.“
    Weshalb haben so viele Frauen in unserem Alter ein angeknackstes Ego? Sind es wirklich nur die fehlenden Hormone und die damit einhergehenden Depressionen oder sind es die Erwartungen der Gesellschaft, denen wir uns nicht mehr gewachsen fühlen? Ausgemustert, zum alten Eisen gehörend, reif für den Biomüll?

Hilfe, ich habe Besuch
    Morgens quälst du dich aus dem Bett. Dein Kreislauf spielt verrückt, eine böse Migräne ist im Anzug und überhaupt fühlst du dich nach drei nächtlichen Schweißausbrüchen alt und ausgelaugt. Du zählst die Tage bis zum Wochenende, ach, was sag ich, die Stunden. Beim Blick in den Spiegel denkst du „Bin ich das oder habe ich Besuch?“ und möchtest sofort wieder ins Bett. Und noch während du dir Pfefferminzfrische um die Zähne spülst, bestürmen dich all die unangenehmen Dinge, die du zu erledigen hast. Ein genialer Anfang!
    Jetzt hilft nur die absolute Guten-Morgen-Hallo-Wach-Kombi: Aspirin schadet weder ihm noch ihr, Kreislauftropfen einpfeifen und zwanzig Luftsprünge machen. Hopsen hat dir schon als Kind gute Laune gemacht, versuche es mal wieder. Oder schaue dir deine Katze an. Wie sie sich sanft reckt und dehnt. Das tut dir genauso gut. Und dann ab unter die Dusche und aus vollem Halse ein Liedchen geträllert. Wenn du bis jetzt schlechte Laune hattest, wirst du dich garantiert amüsieren, wie du es schaffst, jeden Ton ein bisschen schief zu treffen. Das sollte als Rüstzeug für einen guten Tag reichen. (Das mit dem Liedchen hat schon meine Oma so gemacht. Sie hat Opa damit fast um den Verstand gebracht. Aber wegen ihres sonnigen Gemüts, auch in den allerschwierigsten Zeiten – von denen wir noch nicht mal im Ansatz eine Ahnung haben – führte sie Zeit ihres Erwachsenenlebens eine einzigartig glückliche Ehe.)
    Sollten sich also zu diesem Zeitpunkt noch ruhebedürftige Familienangehörige im Haus aufhalten, schlage ich die Verlagerung des morgendlichen Gute-Laune-Singens ins Auto vor. (Achtung: Wenn du Cabrio fährst, nicht in Gegenden, wo dich jemand

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