Mein letzter Tampon
doch mal in London in der Oper vorbeizuschauen.
Wie Mutti das macht? Eigentlich ganz einfach. Sie hat überhaupt keine Hemmungen und ist so natürlich nett und spontan, dass jeder sich sofort zu ihr hingezogen fühlt.
Ich erinnere mich noch an eine Szene aus meiner Teenagerzeit. Meine Mutter musste kurz vor dem Urlaub auf die Bank. Dort stand am Nebenschalter Martin Held, ein Schauspieler, den meine Mutter wirklich verehrte. Sie drehte sich um, lächelte Martin Held an, und dann fiel ihr etwas ein. Sie schritt entschlossen auf den Mann zu und sagte: „Mensch, Herr Held, das ist aber toll, dass ich Sie hier treffe. Sie erinnern mich daran, dass ich mein Theaterabonnement noch abbestellen muss.“
Was glaubst du, machte Martin Held? Genau, er lachte schallend. Als er endlich wieder Luft kriegte, fragte er, ob er denn so schlecht gewesen sei. Da verstand auch meine Mutter, warum der große Mime so lachte. Dann lachte auch meine Mutter und weil sie so ansteckend lachen konnte, lachte die ganze Bank Tränen.
Dass meine Mutter mit ihrer Spontaneität und ihrem Humor mit zweiundfünfzig nach zwanzig Jahren wieder zurück ins Berufsleben gegangen ist, habe ich wohl schon erwähnt. Wie sie das gemacht hat? Eigentlich ganz einfach. Sie hat sich die Tante vom Zeitarbeitsamt gegriffen und ihr in der ihr eigenen, charmant-offenen Art, ihr Leid geklagt. Über ihre Tochter, die immer so tolle Jobs als Hostess kriegt und dadurch gar nicht zum Studieren kommt.
Daraufhin kriegte ich weniger tolle Jobs, dafür aber meine Mutter. Zuerst als Gesellschafterin bei einer blinden Dame. Nach deren Ableben und einer kleinen Erbschaft für meine Mutter, wurde sie die ständige Aushilfschefsekretärin in einem großen Betrieb, der sie bis zu ihrem siebzigsten Lebensjahr regelmäßig anforderte und der ihr über zwölf Jahre hinweg eine Heimat war. Bis zur Pensionierung meines Vaters behielt Mutti diese kleinen „Nebentätigkeiten“ und die daraus resultierende finanzielle Unabhängigkeit Vati gegenüber geheim, erstaunte aber durch ein neu gewonnenes Selbstbewusstsein. Mit der Frau vom Arbeitsamt verband sie all die Jahre eine Freundschaft.
Absolut ungeeignete Strategien
Aber nicht nur aus den Erfolgen anderer Frauen, sondern auch aus ihren Fehlschlägen kannst du etwas lernen. Ich möchte dir ein paar Strategien vorstellen, die absolut nicht dazu geeignet sind, die Zukunft in den Griff zu kriegen.
Durchbrennen
Da ist zum Beispiel die erfolgreiche Notarin. Die hat sich kräftig verspekuliert. Anstatt dieses mit ihrer Familie zu besprechen, notfalls den Finger zu heben und weiterhin glücklich als Rechtsanwältin zu arbeiten, haut sie ab. Und hinterlässt geplünderte Mandantenkonten. Jetzt sitzt sie für Jahre im Gefängnis, die Zulassung ist weg. Die Familie ist entsetzt. Die Gläubiger finden das mordslustig. Zukunft ade.
Ausrasten
Und dann ist da die erfolgreiche Chefsekretärin mit kräftesparend verheiratetem Lover, den sie allerdings gern heiraten möchte. Als sie einen neuen Chef bekommt, hat sie Angst, dass der Neue sie nicht haben will, dass sie seinen Ansprüchen nicht gerecht werden kann. Bevor der neue Chef überhaupt angetreten ist, bekommt sie einen kapitalen Nervenzusammenbruch. Ab in die Geschlossene, fünf Monate Psychotherapie. Das war natürlich genau die richtige Art, ihren neuen Chef von sich zu überzeugen und ihren Lover zum Ehemann zu machen.
Auswandern
Alternativ stelle ich dir noch die Bäuerin vor. Früher hat sie eine erfolgreiche Werbeagentur geleitet. Dann bekam sie ihre Midlife-Crisis und versuchte sich als Kiwi-Züchterin in Spanien. Die Kiwis wollten nicht so wie sie, die Knete war bald aufgebraucht und Spanien war auch nicht das, was sie sich erhofft hatte. Jetzt sitzt sie im Hinterstübchen einer jungen, kreativen Agentur in Deutschland und darf hinter geschlossenen Türen Werbetexte schreiben.
Brücken abbrechen
Da ist die Hella. Hella ist Hebamme mit Behinderung. Sie kann Babys nämlich nicht mehr sehen. Das Thema langweilt sie zu Tode. Hella lebt allein, hat ihr Abitur auf der Abendschule nachgemacht. Um sich ihre Träume zu verwirklichen, hat sie ihren Job und ihre Wohnung aufgegeben, ihre Möbel eingelagert, um bei einem zeitlich begrenzten Pandabären-Projekt mitzuarbeiten. Als sie merkte, dass auch die Rettung der Pandabären sie nicht glücklich machte, ging sie wieder zurück nach Deutschland. Jetzt möchte sie gern studieren. Hella ist Mitte fünfzig und überlegt, wie sie mit Hartz
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