Mein neues Leben als Mensch (German Edition)
geritten seien, sogar in den Ferien auf einen von gleichgesinnten Mädchen berstenden Pferdehof fuhren und dort wochenlang striegelten, sich bei ihren Schutzbefohlenen ausweinten und über flache Hindernisse sprangen.
Diese Seite an meiner Frau war mir bis dahin verborgen geblieben. Nie war in sechzehn gemeinsamen Jahren die Rede von dieser verschüttgegangenen Leidenschaft gewesen. Aber wir haben uns auch nie über meine adoleszente Playboy-Sammlung unterhalten, wenn ich es mir recht überlege. Jedenfalls holte uns Saras Kindheit massiv ein, denn Karin hatte im Gegensatz zu Sara nie mit dem Reiten aufgehört. Sie nahm Sara mit in den Stall, wo ihr Hannoveranerwallacharaberhengst steht, schnauft und pointenlos vor sich hin äpfelt. Ich durfte mitkommen.
Sara verwandelte sich in ein zwölfjähriges Mädchen, gab «Burgunderkönig» ein Stück Zucker und rupfte Heu aus dessen Mähne, während ich ständig damit rechnete, von Burgunderkönig zertrampelt oder angekackt zu werden. Wieder zu Hause, war Sara eine andere geworden. «Ich will ein Pferd», sagte sie in einem Ton, zu dem nur Frauen in der Lage sind. «Und ich will einen Aston Martin DB9», antwortete ich. In ihm sind zu einem vergleichbar günstigen Preis gleich vierhundertsechsundsiebzig Pferde enthalten, und so ein Aston Martin riecht allenfalls nach Pferdeleder, aber nicht nach Pferd.
Sara fuhr nun täglich in den Stall, um Burgunderkönig zu besuchen. Nick und Carla gingen mit, und binnen einer knappen Woche ereilte sie allesamt eine ausgewachsene Pferdemeise.
Selbst Nick, der bisher einen Froschlurch nicht von einer Blaumeise unterscheiden konnte, wollte nun unbedingt reiten. Jetzt strebt er eine Karriere als Jockey an, seit ihm jemand erzählt hat, dass man dafür klein sein müsse. Ich erklärte ihm, dass man dafür vor allen Dingen auch klein bleiben müsse, und er antwortete, dass das für ihn kein Problem sei, solange ich kochen würde.
Carla würde gerne springreiten, und zwar weil da die Haare so schön in die Luft fliegen. Das kommt nicht in Frage. Pferde wollen von Natur aus überhaupt nicht springen. Sie springen überhaupt nur, weil sie doof sind. Diese These bringt meine Tochter zum Schäumen. Es gehöre weit mehr dazu, über einen Zaun zu springen, als davor stehen zu bleiben. Es sei ein Ausdruck von Freiheitswillen, behauptet sie steif. Ich finde, es ist eher ein Ausdruck von Panik und Getriebenheit, aber ich gebe gerne zu, dass ich von Pferden nicht viel verstehe.
Auch Sara bekundete Interesse an einer Reitsportart, die viel mit Intelligenz und Disziplin zu tun hat, jedenfalls auf Seiten des Reiters: Dressur. Dressur ist, wenn der Sportreporter bei den Olympischen Spielen ebenso kenntnisreich wie eingeschüchtert Sätze wispert wie: «Bommerlunders Hinterhand liegt wirklich unglaublich tief unter dem Schwerpunkt.»
Eines Abends, die Kinder waren schon im Bett und gaben auf diese Weise zu den schönsten Hoffnungen meinerseits Anlass, kuschelte sich Sara an mich und sagte: «Ich will ein Pferd von dir.» Sie fügte hinzu, dass es für sie wichtig sei. Für die Kinder. Und damit letztlich auch für mich. Ich sah in ihre Augen, und diese hatten Pferdeaugenform angenommen und jenen eigentümlichen Glanz, der jeden noch so stoffeligen Pferdeignoranten jegliches rationale Argument vergessen lässt.
Dann wurde ich wochenlang unter massiven psychischen Druck gesetzt. Ich fühlte mich wie der amerikanische Notenbankpräsident und kaufte meiner Frau schließlich ein Pferd. Mir selbst gegenüber rechtfertigte ich diese Anschaffung damit, dass man auf diese Weise mindestens für ein Jahr Sauerbraten im Haus hätte.
Wenn ich allerdings auch nur geahnt hätte, was ich mir mit dem Kauf dieses gigantischen Tieres antun würde, hätte ich mir eine Allergiebescheinigung vom Arzt geben, ich hätte mir eine Pferdegrippe spritzen lassen, ich hätte, hätte, hätte. Habe ich aber alles nicht. Ich habe Black Pearl im Gegenteil widerspruchslos Zugang zu meiner Frau verschafft und auf diese Weise unsere Ehe in eine tiefe Krise manövriert.
Natürlich fand ich schon mal gleich als Erstes den Namen bescheuert. Black Pearl. Immerhin teilten unsere Kinder diese Meinung. Carla plädierte dafür, den Wallach lieber Blacky zu nennen, was Nick ablehnte, weil Blacky ihm zu weiblich klang. Er schlug Schnuffi vor, was Carla für mindestens ebenso weiblich und dem Stockmaß des Tieres nicht angemessen hielt. «Meerschweinchen heißen Schnuffi, aber nicht Pferde, die
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