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Mein neues Leben als Mensch (German Edition)

Mein neues Leben als Mensch (German Edition)

Titel: Mein neues Leben als Mensch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Weiler
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Elektronik-Märkte. Die Verkäufer schwimmen durch die Gänge wie Zwergwelse, immer einen ganzen Schwarm von Kundenfischen hinter sich her ziehend. Manche der Kundenfische halten etwas in der Hand, leere Druckerpatronen zum Beispiel, oder eine DVD, von der sie nicht wissen, ob die darauf enthaltenen Extras Untertitel haben. Oder Staubsaugerbeutel oder Mehrfachstecker mit Schalter.
    Wenn ich gute Laune habe, renne ich mit und warte ab, ob es uns als Schwarm gelingt, den Verkäufer so weit zu entkräften, dass er in den Personalraum flüchtet und sich dort versteckt. Wenn das nicht klappt, bin ich irgendwann an der Reihe und lasse mir Espressomaschinen vorführen, obwohl ich genau weiß, dass ich mir eher mit einer Nagelpistole in den Fuß schießen würde, als eine Maschine für Kaffeepulvertabletten zu kaufen.
    Wenn ich so durch die Abteilungen wandere und mir Waschmaschinen mit ungeheurer Energieeffizienz oder Kabelschläuche oder Mikrowellen mit 5000 Watt Leistung ansehe, empfinde ich eine tiefe Zuneigung zu allen anderen Kunden, denn ich denke immer, da sind bestimmt welche wie ich darunter. Man ist unter Gleichgesinnten. Elektronik-Märkte sind die Museen der zweiten Moderne.
    Fast genau so gerne bin ich nebenan im Baumarkt. Dort muss man sich ebenfalls nicht erklären, da kann man einfach sein und durch die Installationsabteilung streifen. Es gibt dort so hinreißende Begriffe zu lesen. «Steckmuffe». «Steck-Schiebemuffe». «Steckwinkel» und vor allem «Steck-Übergang-Nippel», worunter man sich wer weiß was vorstellen könnte, wenn der Steck-Übergang-Nippel nicht direkt darüber in einem Karton läge. Schöner klingt nur noch: «Doppel-Klapprosette».
    Manchmal bringe ich dem Baumarkt etwas mit. Ein Brett zum Beispiel, welches ich in der Sägestation kürzen lasse. Ich bitte darum, 13,6 Zentimeter abzusägen. 13,5 Zentimeter würden es auch tun, aber ich will dem Sägemann eine Gelegenheit zur Prononcierung seiner Kunst verschaffen. Zu Hause werfe ich das Brett weg.
    Bevor ich zur Kasse gehe, um dort Weingummi und leuchtende Knickstäbe zu erwerben, mache ich meistens noch einen Abstecher zu den Maschinen. Bohr. Schleif. Säg. Fräs. Hobel. Ich stehe in fassungsloser Unkenntnis, aber begeistert vor den Schwingexzentermultibandschleifern und denke dann jedes Mal über den Erwerb eines Fräsständers nach, und zwar nur des grandiosen Wortes «Fräsständer» wegen. Wer kann von sich schon behaupten, einen Fräsständer sein Eigen zu nennen. Vielleicht kommt Dattelmann vorbei und fragt, ob er sich mal meinen Fräsständer ausleihen kann. Ich befürchte allerdings, dass er einen eigenen hat, womöglich ein riesiges Ding. Also verzichte ich darauf und gehe Richtung Ausgang. Dabei passiere ich noch die Gartenabteilung und die Tiere.
    Ja, unser Baumarkt verkauft auch Tiere bis zu einer gewissen Größe sowie allerhand Klump, mit dem man Nagetiere und Fische bei Laune halten kann. Es lohnt sich, dort noch ein wenig herumzulungern. Kleintierkäfige heißen im Fachdeutsch «Nagerheime». Man sagt nicht mehr Hamsterkäfig, genauso wenig wie man noch Nudel sagt oder Sprudel. Sprudel ist Wasser mit Gas, Nudel ist Pasta, und Hamsterkäfig heißt jetzt Nagerheim. Das klingt sehr nach Schwäbisch Hall, finde ich. Die Nagerheime in unserem Super-Baumarkt verfügen über zum Teil kolossale Einbauten, die aussehen, als ob der legendäre James-Bond-Architekt Ken Adam sie entworfen hätte. Sagenhaft, wirklich. Genau das Richtige für Gimli. Das ist die kasachische Zwerghamsterin meines Sohnes.
    Für Gimli wird es eng, findet Nick. Ich würde sagen, für sie wird es überall eng, denn sie ist stark übergewichtig. War sie immer schon und bleibt sie auch, obwohl unser Sohn seine Anvertraute mit einem überaus straffen Sportprogramm fit hält. Er ist der Magath der Hamsterbesitzer. Nicht nur dass Gimli nächtlich im Laufrad mehrere hundert Runden dreht, sie turnt auch tagsüber am Gitter ihres Käfigs herum und macht Purzelbäume, indem sie vom Dach ihres Häuschens fällt. Nick leitet sie dazu an und lässt sie auch über Bleistifte und durch Ringe hüpfen. Einmal konnte ich gerade noch verhindern, dass er den Ring vorher anzündete. Die Rekrutenausbildung der amerikanischen Marines ist nichts gegen den Drill meines Sohnes. Trotzdem will Gimli irgendwie nicht abnehmen. Dies veranlasste Nick jüngst zu dem Befund, dass nicht sie zu dick für ihren Hamsterkäfig sei, sondern der Käfig zu klein für Gimli. Sie brauche mehr

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