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Mein neues Leben als Mensch (German Edition)

Mein neues Leben als Mensch (German Edition)

Titel: Mein neues Leben als Mensch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Weiler
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der gerade eben erst von Wissenschaftlern entdeckt worden sei und nun zum Wohle der Menschheit den deutschen Hühnern massenhaft verabreicht würde: Dioxin.

Schweinsgedöns und Kommunismus
    In letzter Zeit erstaunt mich öfter, dass unsere kleine deutsche Welt einigermaßen funktioniert, obwohl sich nicht einmal die Menschen verstehen, die aus demselben Kulturkreis stammen und daher doch dieselbe Sprache sprechen.
    Da stehe ich zum Beispiel in Hamburg am Dammtorbahnhof rum und stelle fest, dass mir das Feuerzeug abhandengekommen ist. Ich grübele und wühle und entscheide schließlich, ein neues zu kaufen. Dazu betrete ich ein im Bahnhof befindliches Tabakwarengeschäft, in dem es nach alter Derrick-Folge riecht. Ein Kunde ist schon dort und sagt gerade: «Eine rote Gauloises.» Dies ist eine klare Ansage, zumal in einem Laden mit rückwärtigem Zigarettenregal. Davor steht eine Frau und sagt: «Da müssen Sie hier rüberkommen.» Dann bewegt sie sich seitwärts zur Lottoscheinabteilung. Der Mann versteht nicht, warum er zu den Lottoscheinen soll, wenn er Zigaretten kaufen will. Also bleibt er einfach mal stehen. Hätte ich an seiner Stelle auch gemacht. Die Frau ruft: «Hier rüber!», und er ruft zurück: «Warum?», und sie wiederholt: «Hier rüber.» Der Mann hält das für eine Schikane. Es braucht dann ungefähr vier Minuten, bis er seine Zigaretten hat, weil die Frau nicht «eine rote Gauloises» verstanden hat, sondern «ein Rubbellos».
    Gut, dieses Missverständnis mag noch einer gewissen Harthörigkeit der Verkäuferin geschuldet sein, aber das nächste Beispiel totaler Unverständigkeit ist psychologisch schon bemerkenswert. Es spielt im Göttinger Restaurant «Kartoffelhaus», in welchem ich vor einiger Zeit Nudeln aß. Am Nebentisch hockten sechs Rentner, die bei einer jungen Servierkraft Essen bestellten. Sie schrieb stoisch auf, was die Herren ihr diktierten, dann kam der Letzte an die Reihe und sprach: «Ich nehme das Zürcher Schweinsgeschnitzge, äh, das Schnetz, das Schweinsschnitz.» Die Kellnerin legte den Kopf schief und erstarrte dann in einer wie ausgeschaltet wirkenden Warteposition. Der Herr nahm tief Luft und einen neuen Anlauf: «Das Wiener! Neee, das Züricher Schwanzgeschnetz. Ähh.» Tiefe Verzweiflung. Ich saß am Nebentisch und dachte: «Komm, Junge, spuck’s aus, sag’s einfach. Gib dir ’n Ruck.» Ich litt wirklich mit ihm. Die Kellnerin ließ den Bleistift sinken. Sie hätte ihm auch helfen können. Aber sie wartete – und quälte ihn. Der alte Mann seufzte und hob wieder an: «Na, das Dings nehme ich. Das Schnetzschweins.» Dann hatte er eine Idee. Er schlug die Speisekarte auf, fuhr mit dem Finger die Hauptgerichte entlang, tippte auf sein Wunschessen und rief freudig erregt: «Hier isses doch.» Und dann feierlich: «Ich nehme: Das Züricher: Schweine: Gedöns!» Die Kellnerin darauf völlig unbewegt: «Kleinen Salat dazu?»
    Ich bin dann nach Leipzig gefahren. Zur Buchmesse. Dort lungerte ich am Stand meines Verlages herum und absolvierte herrlich unkommunikative Pressegespräche, deren Absurdität sich aus der schon rührenden Uninformiertheit der fragenden Damen und Herren speiste. Eine wollte tatsächlich mit mir über meinen neuen Roman «Maria, ihm schmeckt’s nicht» sprechen. Als ich ihr sagte, dass das Buch acht Jahre alt sei, antwortete sie: «Na und? Ist doch egal! Oder glauben Sie, das merkt hier einer?»
    Das hübscheste Interview wurde aber beim Mitteldeutschen Rundfunk geführt und live im Radio gesendet. Ich sollte dafür um zehn Uhr morgens am MDR-Stand erscheinen, was mir auch knapp gelang. Ich griff abgehetzt um 10   :   04 Uhr zum Mikrophon, und die Moderatorin begann das Gespräch leutselig mit den Worten: «Bei mir ist jetzt der Kommunist Jan Weiler.» Ich begehrte zaghaft auf, dass ich ganz genau genommen nicht Kommunist sei, sondern Kolumnist. Aber das war ihr egal. Und es ist ja auch im Grunde alles dasselbe.

Ferber für Anfänger
    Zu den empörenden Besonderheiten bei der Verwandlung unserer Tochter in ein Pubertier gehören ihre Vorstellungen vom Wert bestimmter Dinge. Meine Sachen sind zum Beispiel nichts wert. Man kann CDs des Vaters irgendwohin mitnehmen und dort vergessen. Wenn ich meckere, dass ich diese CDs gekauft habe, weil ich sie besitzen wollte, antwortet Carla, ich solle mich nicht so anstellen, es seien doch bloß CDs. Schon wegen der Frechheit meiner Tochter habe ich ein Problem mit der blöden Gratiskultur des

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