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Mein neues Leben als Mensch (German Edition)

Mein neues Leben als Mensch (German Edition)

Titel: Mein neues Leben als Mensch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Weiler
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zurückkehrte, fand er die Nachbarskatze fauchend an der Schachtel vor. Er gab ihr einen Tritt in den Hintern und barg die verängstigte Gimli aus einem Haufen Sand, in dem sie sich vor der Katze versteckte. Gimli überstand eine Discoparty, die Nick an ihrem Geburtstag veranstaltete, und seinen Versuch, sie im Gemüsefach des Kühlschranks frisch zu halten.
    So etwas Ähnliches plante ich nun auch. Die Bestattung Gimlis muss nämlich bis zum Frühjahr warten; der Boden im Garten ist gefroren. Ich erklärte Nick also, dass wir Gimli bis Ostern oder so einfrieren und dann auftauen würden, um sie ordentlich und ehrenvoll zu begraben. Er nickte und brachte Gimli in ihren Käfig zurück, um noch für einige Minuten etwas von ihr zu haben. Ich suchte in der Küche nach einem Gefrierbeutel, um Gimli neben Hähnchenschenkeln und Rindergulasch zwischenlagern zu können. Dann hörte ich Nick rufen, nein brüllen. «Gimli lebt», schrie er.
    Ich stolperte nach oben, und es ist wahr, ein Wunder ist geschehen. Gimli sieht uns aus kleinen schwarzen Äuglein an und bewegt ihre Barthaare. Sie lebt! Wir müssen sie füttern. Ja, ein Wunder ist geschehen. Ein wahres Wunder! Dieses unfassbare Leben erfährt noch einmal eine Verlängerung!

La Befana war da!
    Wenn man eine Familie gründet, erhält man die Chance, damit auch eigene Familientraditionen einzuführen. Schließlich stecken die Füße unter dem eigenen Tisch, und da kann man draufhauen (auf den Tisch, nicht auf die Füße) und rufen: «Scheiß-Lametta! Das Zeug habe ich schon immer gehasst. Kommt mir nicht ins Haus, der Kram.» Und Karpfen auch nicht. Moderne Familien futtern Lachs, und am sechsten Januar schlafen sie lange, bis unsäkularisierte Nachbarskinder vorbeikommen und mit Kreide an der Tür rumschmieren. Anstatt ihnen dafür eine zu verpassen, spende ich immer Geld, weil ich Angst vor Gott habe.
    Ansonsten gab es bei uns bisher keine Festtagsbräuche für den Dreikönigstag. Bis letzten Mittwoch. Da überraschte mich mein Schwiegervater Antonio abends mit der Ankündigung, La Befana sei im Anflug: «Du, da kommte morgene fruh La Befana, und danne gehte die Party ricketig los.» Manchmal ist es besser, man geht gar nicht auf Antonio ein. Andererseits wollte ich doch wissen, wer oder was La Befana ist. Es konnte sich um eine Geliebte von Silvio Berlusconi handeln. Oder um einen Grippevirus. Oder um eine Soap Opera des italienischen Fernsehens. Also fragte ich ihn, was es mit La Befana auf sich habe.
    Er setzte mir auseinander, das La Befana eine hässliche, aber gute Hexe sei. Der Sage nach hörte Befana die Frohe Botschaft und machte sich auf die Suche nach dem Christuskind. Sie brach allerdings, wie in Italien allgemein üblich, etwas zu spät auf. Da war der Stern von Bethlehem schon erloschen, und so konnte Befana das Christuskind nicht finden. Seitdem fliegt sie alljährlich in der Nacht vom 5. auf den 6. Januar von Kind zu Kind und verteilt Geschenke in der Hoffnung, den Heiland dabei eines Tages zu entdecken. Allerdings fliegt sie vorwiegend in Süditalien, was ihre Erfolgschancen erheblich verringert. Die Kinder dort hängen Strümpfe auf, und die braven bekommen Süßigkeiten hinein, die unartigen hingegen Kohle. Dabei handelt es sich um schwarzgefärbtes Zuckerzeug, sogenannte «Carbone Dolce».
    «I make die Hex», rief Antonio, und das gefiel mir gut, weil ich mich dann nicht zum Obst machen musste. Vor dem Zubettgehen hängten die Kinder Strümpfe auf, und ich erklärte ihnen diese Befana-Geschichte, die Nick ratlos zurückließ, weil er kein Baby mehr sei und daher selbst für ganz dumme Hexen unmöglich als Jesuskind durchginge.
    Am nächsten Morgen waren die Strümpfe leer, denn Antonio verschlief seinen Einsatz. Während die Kinder mäßig enttäuscht ihre Strümpfe inspizierten, um sie danach anzuziehen, deckten Sara und ich den Frühstückstisch. Dann saßen wir zu viert wie üblich daran, und Nick bedauerte, nicht katholisch zu sein und daher beim Heiliger-König-Casting nicht in Frage zu kommen. Wenn er wählen könnte, wäre er Caspar, weil der ein Hiphopper ist. Für Nick sind alle Schwarzen Hiphopper, auch Barack Obama.
    Wir sahen in den verschneiten Garten. Da kamen die Heiligen Drei Könige die Straße entlang. Sie durchschritten das Gartentor, und ich hörte die Sternsinger singen. Auf einmal stürzte eine alte Frau aus einem Busch hervor. Sie war ziemlich hässlich und schrie irgendwas auf Italienisch. Sie trug eine lange Gumminase,

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