Mein neues Leben als Mensch (German Edition)
Ich mag es nicht, wenn alle stumm das Essen in sich hineinschaufeln. Ich will auch quatschen. Also stellte ich meinen Kindern eine Frage, einfach so, irgendeine belanglose Frage, nur um das Tischgespräch ein bisschen ins Brummen zu bringen.
«Mal angenommen, es gäbe mich gar nicht: Wen hättet ihr dann am liebsten als Vater?» Ich dachte, dass sei ein Top-Essens-Thema und hoffte nebenbei, dass meine Kinder sagen würden, dass sie sich niemand anders als Vater vorstellen könnten als nur mich. Väter sind so, manche jedenfalls, also ich. Sara fand die Frage auch interessant, und die Kinder dachten nach, Nick allerdings nur sehr kurz. Dann rief er: «Homer Simpson!» Das fand ich eine ganz gute Wahl. Homer Simpson ist doof, aber lustig. Carla nahm sich etwas mehr Zeit und rief dann: «Ich will Til Schweiger als Vater!» Den finde ich mindestens so doof, aber gar nicht lustig. Er dreht aber angeblich Komödien.
«Warum denn bitte ausgerechnet der?», fragte ich empört. Ben Stiller hätte ich okay gefunden, meinetwegen auch Joachim Löw. Oder Kloppo. Aber Til Schweiger? Carla knabberte an ihrem Salat und führte dann aus, dass Til Schweiger im Film so eine tolle Wohnung habe und super mit Kindern umgehen könne. «Kann ich auch», meckerte ich. «Aber er guckt immer so süß.» Til Schweiger guckt süß! Ich versuchte, so zu gucken wie Til Schweiger, so nett und unschuldig von unten, wie man eben gucken muss, damit Mädchenherzen schneller pochen. Carla lachte und sagte: «Du kannst das nicht.» Ich wies sie darauf hin, dass ich andere Dinge könne, die der feine Herr Schweiger ganz sicher nicht beherrsche, und Carla sagte: «Die interessieren nur niemanden. Und außerdem sieht der super aus.» Jetzt war ich beleidigt. Selber schuld. Leider hat sie vollkommen recht.
«Wofür ist es denn bitte schön so wichtig, dass ein Vater gut aussieht?», fragte ich in selbstquälerischer Beharrlichkeit. Carla beschenkte mich mit einem mitleidigen Lächeln, brachte ihren Teller in die Küche und verschwand in ihrem Zimmer, um telefonierend zu kichern. Oder um kichernd zu telefonieren. Wahrscheinlich ging es um mich.
Ich blieb sitzen und dachte darüber nach, wen ich als Junge gerne zum Vater gehabt hätte. Und dann fiel es mir wieder ein: Lex Barker. Old Shatterhand. 1974 war der mein Traumvater. Lex Barker ging mit diesem oberlässigen Wildlederoutfit auf Kriegspfad. Mein Vater ging nur mit Anzug und Krawatte ins Büro. Er hatte nicht den kleinsten Schimmer vom Anschleichen, konnte keinen Tomahawk werfen, und wenn er nach Hause kam, machte er kein Lagerfeuer an, sondern den Fernseher. Und plötzlich konnte ich meine Tochter verstehen. Alleine die Vorstellung, mit Til Schweiger in einem seiner schön eingerichteten Filme zu leben, hebt in Mädchenseelen wahrscheinlich die größten romantischen Schätze. Besonders wenn er so von unten guckt.
Ich stand auf und räumte die Spülmaschine ein. Welchen Vater sich wohl Walter Kohl gewünscht hat, als er zwölf Jahre alt war? Na ja, egal.
Mir fällt jedenfalls auf, dass meistens ich bei uns die Konversation vorantreibe. Madämchen lässt sich Infos nur schwer entlocken, und unsere Til-Schweiger-Diskussion dämpfte ihre Gesprächslust noch weiter.
Trotzdem weiß ich allerhand über sie, weil ich um meine Tochter herum recherchiere. Ich weiß zum Beispiel, dass es zwischen ihr und Moritz gerade nicht zum Besten steht. Große Krise. Sie hat sich da um Kopf und Kragen geredet. Es ist ihrer Jugend geschuldet und eigentlich nicht weiter schlimm. Aber endlaser peinlich. «Endlaser» muss man englisch aussprechen, und es ist eine Steigerungsform, die gerade bei uns grassiert. Meine Hackfleischsauce ist endlaser und die TV-Serie «Glee». Moritz war bis gestern endlaser. Mir würde sie das natürlich niemals erzählen, weil ich nun einmal nicht endlaser bin. Aber ihren Kumpelinnen erzählt sie alles. Und wer ist mit den jungen Damen befreundet? Genau: Ich. Bei Facebook.
Nicht dass Sie mich jetzt für einen Strolch halten. Ich habe mich nicht darum gerissen. Es war genau umgekehrt. Als ich in der Facebook-Quasselbude frisch angemeldet war, purzelten Freundschaftsanfragen herein, und darunter waren einige von Carlas Schulfreunden. Ich fand das lustig und drückte auf «bestätigen». Ich dachte, das sei geschickt, weil man auf diese Weise mit Jugendlichen in Kontakt bleibt.
Zunächst erwiesen sich meine Facebook-Freundschaften mit Carlas Clique als ziemlich enervierend. Dauernd wurde ich
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