Mein Seelenauftrag
kleinen Stadt auf dem Land aufgewachsen und war ein uneheliches Kind, die Folge einer Affäre meiner Mutter. Die ganze Stadt wusste darüber Bescheid und machte sich über mich lustig. Ich wuchs in dem Gefühl großer Unwürdigkeit auf. Da meine Mutter Atheistin war, lernte ich auch nie, Gott um Hilfe zu bitten.
Als die Scham hervorbrach, weinte ich viel. Dann erklärte mir eine meiner Kommilitoninnen: »Die Umstände deiner Geburt sagen nichts über dich aus.« Irgendwie bewirkten ihre Worte einen Prozess des Loslassens. Ich vergab mir alle meine Urteile hinsichtlich meiner Unwürdigkeit und verzieh mir, dass ich mich fälschlicherweise mit den Umständen meiner Geburt identifiziert hatte. Ich empfand ein intensives Gefühl von Freiheit, und der Schmerz verschwand.
Daraufhin dachte ich mir, dass ich einen inneren Prozess mit dem Teil von mir durcharbeiten könnte, der diese Dinge durchgemacht hat. Ich erklärte dem inneren Mädchen des entsprechenden Alters gerade, dass die Umstände ihrer Geburt nichts über sie aussagten, als ihre Haut plötzlich immer dunkler wurde – als sei sie mit Schlamm beschmiert. Der Schlamm bekam Risse, bröckelte ab, und sie erstrahlte in diesem unglaublichen Licht. Sie sah auch nicht mehr aus wie ein kleines Mädchen. Sie wurde zu einem Wesen aus Licht und verströmte Liebe. Sie war ein Engel. Sie erklärte, sie habe darauf gewartet, dass ich sie sehen könne, und sagte wunderschöne Dinge zu mir. Dann fragte sie: »Darf ich dich umarmen?« Sie drückte mich und sprach: »Das ist nicht nah genug. Ich muss in dich hinein.« Sie verschwand in meinem Inneren, und ich zittere und vibriere immer noch, weil sie in mir ist. Und wisst ihr was? Es ist mir tatsächlich egal, was die Leute von mir denken. Ich habe das Gefühl, vollständig zu sein. Dank dieses Lichts, das nun in mir brennt, weiß ich, dass ich in der Tat ein gesegnetes Kind Gottes bin.
Beachten Sie die große Ähnlichkeit zwischen der Erfahrung dieser Studentin und dem, was der Dichter William Butler Yeats vor vielen Jahren zu Papier brachte:
Ich bin bereit, bei allem, komme was da wolle,
In Tat und Geist mich bis zum Kern zu wagen,
Mit jedem Schicksal mich zu messen und mein Los zu tragen!
Hat einer so wie ich die Reue erst verjagt, fließt eine tolle,
So große Süße durch die Brust,
Dass alles, worauf wir blicken, gesegnet
Und wir von allem gesegnet,
So dass wir lachen und singen vor Lust. 53
Solange ein Rest von »Opposition«, von dem Beharren auf einer bestimmten Position oder von Selbstgerechtigkeit übrig bleibt (was alles darauf hinweist, dass das Urteil noch nicht aufgelöst ist), haben Sie nicht vollständig vergeben und werden nur eine geringe Veränderung spüren. Das ist allerdings nicht unbedingt eine schlechte Nachricht. Denn allein dadurch, dass Sie sich mit dem Prozess der mitfühlenden Selbstvergebung beschäftigen, fassen Sie eine ähnliche Absicht wie beim Sprechen von Affirmationen. Jedes Mal, wenn Sie die neun Schritte durchlaufen, bekräftigen Sie Ihren Wunsch. Mit der Aufrichtigkeit Ihrer Bereitschaft, sich von Ihren Urteilen zu lösen, wächst auch Ihr Wunsch – bis zu jenem wunderbaren Tag, an dem Sie diesen Prozess tatsächlich komplett durchlaufen und mitfühlende Selbstvergebung Ihr Bewusstsein durchströmt.
An jenem gesegneten Tag wird sich Ihr bisheriges Gewahrsein der Realität verändern, und Sie werden wissen, wer Sie sind. Sie werden von Ehrfurcht erfüllt sein und erstaunt feststellen, dass Sie in der Tat ein göttliches Wesen sind, das eine menschliche Erfahrung macht. Darüber hinaus werden Sie entdecken, dass Ihre Seele während all dieser Zeit Ihr Handeln so gelenkt hat, wie es ihren Zwecken dient. Das war immer so und wird auch immer so sein. Dann werden Sie wissen, weshalb der Dominikaner, Theologe, Prediger und Mystiker Meister Eckhart sagte: »Wäre das Wort ›danke‹ das einzige Gebet, das du je sprichst, so würde es genügen.«
Vor einer Weile hatte Mary einen wunderschönen Traum, in dem sie und ich ein Selbstvergebungsseminar leiteten. Auf einmal veränderte sich die Szenerie, und vor uns erstreckte sich ein Feld, so weit das Auge reichte. Es war voll wunderschöner weißer Iris. Während die Dimension und die Pracht dieses Anblicks Mary Tränen der Freude in die Augen trieben, hörte sie, wie eine Stimme zu ihr sprach: »Hier steht eine Iris für jeden Akt der mitfühlenden Selbstvergebung .«
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Notieren Sie die folgenden Satzanfänge und denken Sie darüber
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