Mein Tag ist deine Nacht
richtete den Blick dann wieder auf mich. »Was ich sagen will, ist, dass mir mein Benehmen sehr leidtut. Ich habe bei weitem zu viel getrunken, was unentschuldbar ist, und ich war plump und gefühllos. Kannst du mir noch einmal verzeihen? Ich möchte, dass du weißt, dass ich dich nie wieder … auf so eine Art belästigen werde.«
»Ein Anfang wär’s«, sagte ich hölzern, bemüht, mir meine Erleichterung nicht anmerken zu lassen.
»Ich dachte, wir könnten einen Neustart versuchen. Vielleicht könnten wir heute etwas unternehmen, nur wir beide?«
Ich erinnerte mich daran, dass ich mich der Kinder zuliebe entschlossen hatte, mich auf diese Familie einzulassen, und lehnte daher nicht ab. »Den Kindern würde es guttun, wenn wir den heutigen Tag alle gemeinsam verbrächten«, meinte ich vorsichtig.
Er schluckte schwer, sein Adamsapfel hüpfte auf und ab.
»So etwas hatte ich eigentlich nicht im Sinn. Ich meine, wohin könnten wir schon fahren, was die ganze Familie glücklich machen würde?«
»Wie wär’s mit einem Bauernhof, so einem, der der Öffentlichkeit zugänglich ist? In Tiere scheinen die Mädchen ja ganz vernarrt zu sein, und zum Spielen gibt’s da doch gewöhnlich auch was.«
Grant wurde blass.
»Ich bin mir nicht sicher, ob ich mit Tieren klarkomme, Lauren. Die sind so schmutzig und stinken.«
»Was würdest du also vorschlagen?«
»Darüber habe ich mir keine Gedanken gemacht. Ich hatte gedacht, vielleicht wären es nur wir zwei.«
»Ich möchte auf einen Bauernhof«, sagte Sophie von der Küchentür aus.
Grant wandte sich um und zog eine Augenbraue hoch. »Hat uns da jemand belauscht?«
»Ich möchte dahin, wovon Mami erzählt hat«, erwiderte Sophie störrisch.
»Ich finde, wir sollten Papa entscheiden lassen«, meinte ich.
Sophie warf ihrem Vater einen finsteren Blick zu, drehte sich um und stolzierte in die Küche zurück.
»Hör mal, Karen und du, ihr könnt mit ihnen ja zu einem Bauernhof fahren«, meinte Grant lustlos und wandte sich ab, als würde ihm alles zu viel. »Ich habe noch einiges aufzuarbeiten.«
»Ich finde, wir
sollten
alle einen Ausflug machen.« Allmählich erwärmte ich mich dafür. »Das war eine gute Idee, Grant. Es muss ja kein Bauernhof sein. Sophie kann nicht immer ihren Willen durchsetzen, außerdem hätte sie uns sowieso nicht belauschen sollen.«
Meine Unterstützung schien Grant angenehm zu überraschen. Dann allerdings blickte er betont auf seine Uhr.
»Ich habe ohnehin gesagt, ich würde heute vielleicht noch in der Praxis vorbeischauen. Mit meiner Vertretung habe ich keinen Glücksgriff getan. Fahrt ihr mal mit den Kindern zu dem Bauernhof.«
Er beugte sich vor, um mich zu küssen, und ich zwang mich, nicht zurückzuweichen und trotz des Panikgefühls, das ich angesichts seiner Nähe verspürte, den Kuss auf die Wange über mich ergehen zu lassen. Er war ein gutaussehender Mann, und unter anderen Umständen hätte ich mich vielleicht von ihm angezogen gefühlt. Ich unterdrückte Gewissensbisse darüber, dass ich auf sein Angebot, einen Tag allein mit ihm zu verbringen, nicht eingegangen war. Ich wusste, er wollte sein Benehmen in der vergangenen Nacht wiedergutmachen, doch der Gedanke, mit ihm allein zu sein, jagte mir Angst ein.
Als er fort war, lehnte ich mich an die Wand, erschöpft von all dem Auf und Ab meiner Gefühle. Was er getan hatte, war unverzeihlich, aber er hatte mich immerhin für seine Frau gehalten. Und er war der Vater der Kinder.
Ich schloss die Augen und erlaubte mir, an der Frage zu rühren, inwieweit ich bereit wäre, das Meine zu tun, damit diese Familie funktionierte. Könnte Grant mir in romantischem Sinne je etwas bedeuten? Augenblicklich sicher nicht, dafür war es noch zu früh. Und eigentlich hatte ich ihm auch noch keine Chance dazu gegeben. Es blieb jedoch nicht viel Zeit, über meine Mängel als Ehefrau zu sinnieren, da Karen mich aus der Küche rief und ich mich rasch wieder Laurens hektischem Leben stellen musste. Zu Hause musste ich nur an Frankie und mich denken, dachte ich wehmütig, während ich Sirup von der Arbeitsfläche wischte und die Geschirrspülmaschine einräumte. Als Jessica kochte ich schlichte Gerichte für eine Person, erledigte einmal in der Woche die Wäsche und besuchte einmal im Monat meine Eltern. Und ich ging mit Clara ins Kino oder Theater oder besuchte mit dem Rest unseres Freundeskreises Clubs, wann immer ich wollte, wohingegen ich nun zusehen musste, wie ich mein gesellschaftliches
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