Mein Tag ist deine Nacht
anschaute, erhellten sich seine Züge, als wäre die Sonne hinter einer Wolke hervorgetreten.
»Jessica!« Er eilte zum Bett und umarmte mich. »Was ist passiert?«
»Es tut mir so leid«, rief ich und lehnte das Gesicht an seine Schulter. »Ich hätte euch warnen sollen, dass das wieder vorkommen kann. Das hat etwas mit dem Blitzschlag zu tun. Es tut mir so, so leid.«
Als ich vor Erleichterung in Tränen ausbrach, drückte Dan mich fest an sich. Nach einem Augenblick sah ich mit tränennassem Gesicht und laufender Nase auf.
»Jetzt wirst du mit mir wohl nichts mehr zu tun haben wollen«, murmelte ich.
»Sei nicht albern«, erwiderte er. »So leicht wirst du mich nicht los. Ich bin total verrückt nach dir, merkst du das denn nicht?«
Clara beobachtete uns leicht verlegen.
»Wie kommt’s, dass du hier bist?«, fragte ich sie.
»Dein Typ da ist dein Adressbuch durchgegangen«, erklärte sie und drohte ihm in gespielter Missbilligung mit dem Finger. »Er hat sich daran erinnert, dass du ihm was von deiner Freundin Clara erzählt hast, und zu seinem Glück hattest du mich unter meinem Vornamen eingetragen.«
»Warst du denn nicht in der Arbeit?«
»Oh doch. Aber ich hatte mein Handy an und bin sofort hergekommen. Es war eh schon fast Feierabend.« Sie warf Dan einen bedeutungsvollen Blick zu. »Wie ich sehe, hast du von deinem Genesungsurlaub guten Gebrauch gemacht, meine Liebe.«
»Ich danke euch ja so sehr, dass ihr mich nicht ins Krankenhaus gebracht habt«, sagte ich, ohne auf ihre Bemerkung einzugehen, und putzte mir mit einem Taschentuch die Nase. »Gewöhnlich dauert die Bewusstlosigkeit nicht lange.«
»Das klingt ja so, als ob du mal eben shoppen gehen würdest«, rief Dan aus. »Wie oft geschieht so was denn?«
»So aus heiterem Himmel wie diesmal bisher zweimal«, antworte ich wahrheitsgemäß.
»Das ist doch lächerlich.« Dan stand auf und ging neben dem Bett hin und her. »Ist das wie eine Art Epilepsie?«
»Ich fand nicht, dass es wie ein Anfall wirkte«, sagte Clara. »Sie schläft einfach ein, und nichts und niemand kann sie wecken, bis sie bereit ist zurückzukommen.«
»Und vor Samstag ist so was noch nie vorgekommen?«
Ich schüttelte den Kopf.
Samstag
. Gerade mal vier Tage waren seitdem vergangen, und doch kam es mir wie eine Ewigkeit vor.
»Meinst du, ich sollte heute Nacht bei dir bleiben?«
Ich zögerte, da ich nicht wusste, was ich sagen sollte. Sosehr ich versucht war, darauf einzugehen, wusste ich doch, dass er die ganze Nacht nur neben einem komatösen Leib liegen würde.
»Nein, ich komme schon zurecht«, sagte ich schließlich und schüttelte den Kopf.
»Hey, zu mir kannst du immer kommen, wenn sie’s nicht will«, flirtete Clara scherzhalber mit Dan.
Dan lächelte und warf dann einen Blick auf seine Uhr. Clara verstand den Wink und nahm ihren Mantel vom Stuhlrücken.
»Dann verlasse ich euch zwei Turteltauben mal wieder, sofern du dich okay fühlst, Jess?«
»Mit mir ist wieder alles in Ordnung. Danke fürs Herkommen, Clara. Du hast das Richtige getan, ich wollte wirklich nicht wieder im Krankenhaus enden.«
»Aber sei bitte vorsichtig!«, ermahnte sie. »Schließlich sollst du dich ausruhen, denk daran.«
Nachdem die Tür sich hinter ihr geschlossen hatte, beruhigten wir die Hunde und gingen in die Küche, wo ich den Kessel anstellte und dann Dan nervös gegenüberstand. Mir fiel ein, dass wir vor meinem Zusammenbruch im Begriff gestanden hatten, miteinander zu schlafen. Ich jedoch hatte, wie ich fand, gerade beinahe eine Vergewaltigung erlebt und hegte nicht den Wunsch, da fortzufahren, wo wir aufgehört hatten.
Er kam zu mir, ergriff meine Hand und musterte mich mit bekümmerter Miene. Es war fast so, als würde er die Veränderung in mir spüren und sei deshalb rücksichtsvoll und vorsichtig.
»Es ist nicht alles in Ordnung mit dir, stimmt’s?«, sagte er langsam. »Etwas an dir ist anders.«
Ich zog meine Hand fort und drehte mich um, um Wasser über die Teebeutel zu gießen.
»Ich muss mich erholen, nach dem … was geschehen ist.«
»Du solltest zum Arzt gehen, Jessica. Es kann doch nicht normal sein, einfach so das Bewusstsein zu verlieren.«
Das kochende Wasser verpasste die Becher und spritzte über die Arbeitsfläche und auf meine Hand. Wieder spürte ich, dass ich den Tränen nahe war. Bei der Erinnerung an Grants forschende Finger wurde mir übel. Ich wusste, es war Laurens Körper, an dem er sich vergriffen hatte, nicht meiner, aber ich
Weitere Kostenlose Bücher