Mein Tor ins Leben - Bajramaj, L: Mein Tor ins Leben
untergebracht.
Es war schließlich Mitternacht geworden, aber wir konnten einfach nicht schlafen und rätselten immer noch: Kommt sie noch oder kommt sie nicht? Wir sind über den Hotelflur gehuscht und haben recherchiert, in welchen Zimmern sie überall schon war. Die Bundestrainerin hatte zu diesem Zeitpunkt bereits die vorgesehenen fünf Spielerinnen aussortiert, wir waren zum Glück nicht dabei. Einerseits tat mir das für Ulrike Schmetz, Conny Pohlers, Bianca Rech, Britta Carlson und Navina Omilade sehr leid, auch sie hatten gekämpft und alles versucht, um auf den WM-Zug aufzuspringen. Andererseits war ich unendlich erleichtert und glücklich darüber, dass ich mit nach China fahren durfte. Ich rief noch in dieser Nacht sofort meine Mama an und erzählte ihr alles. Sie hat sich riesig gefreut. Papa hatte am nächsten Tag wieder Frühschicht, den konnte ich schlecht wecken. Mama legte ihm aber einen Zettel hin. Als er aufstand und las, dass ich es geschafft hatte, war auch er unglaublich glücklich. Ich glaube, er ist mit seinem Bus an diesem Morgen besonders schwungvoll um die Ecken gedüst …
Am 3. September 2007 hob der Flieger nach Schanghai ab. Der Deutsche Fußball-Bund ermöglichte es uns erstmals, in der Businessclass zu sitzen. So kamen wir recht entspannt in
China an. Wir trugen zwei unserer drei Vorrundenspiele in Schanghai aus. Als der Flieger in der Fremde aufsetzte, erkannte ich kaum die Landebahn. So dicht war der Smog.
Ich war vor der WM schon einmal zum Vier-Nationen-Turnier nach China gereist. Damals durfte ich bereits erfahren, wie diese Nation so tickt. Mein Lieblingsland allerdings wird es nicht mehr. Das hat mehrere Gründe: Wir sahen viel Armut, Menschen hausten in irgendwelchen Bretterverschlägen. Neben der Luftverschmutzung, die das Sporttreiben nicht gerade erleichtert, hatte ich vor allem meine Probleme mit diesen Menschenmassen. Überall immer Pulks von Leuten, die einen Geräuschpegel verursachen, der das Trommelfell so richtig strapaziert. Das ist nicht normal. Tausende Fahrradfahrer kamen mir mal bei einem Spaziergang entgegen. Als Fußgänger warst du da hoffnungslos verloren. Am schlimmsten gestaltete sich das Überqueren einer Straße. Der Autofahrer in China weiß mit dem Wort »Rücksicht« kaum etwas anzufangen. Denen ist es völlig wurst, ob die Ampel Rot, Gelb oder Grün anzeigt, die sind mit ihren zum Teil extrem verbeulten Fahrzeugen einfach gefahren. Als Fußgänger musstest du wahnsinnig aufpassen, dass du nicht unter die Räder kamst.
Ich kenne wirklich durch meine Reisen mit den verschiedenen Nationalmannschaften den halben Erdball: Amerika, Europa, Asien. Aber so gefährlich wie in China habe ich es auf den Straßen dieser Welt nirgends empfunden. Auch das Essen sah gewöhnungsbedürftig aus. Zum Glück reisten wir zu dieser WM mit einem eigenen Koch an – ja, beim Unternehmen »Titelverteidigung« wurde nichts dem Zufall überlassen.
Fasziniert war ich von den Lichtern Schanghais, die endlos bis zum Horizont leuchteten. Unser Hotel in der 19-Millionen-Metropole war recht hoch und unsere Zimmer weit oben, da konnten wir alles gut überblicken. Ansonsten sahen wir nicht viel. Das ist oft so bei den Turnieren. Wir waren auch in China nicht zum Vergnügen da. Um unser Hotel Hua Ting Towers lag wenig Spektakuläres, es befanden sich keine Sehenswürdigkeiten in der Nähe, die wir zu Fuß hätten erreichen können.
Mannschaftskollegin Anja Mittag und ich wollten in der spielfreien Zeit zumindest etwas shoppen gehen.
An einem freien Nachmittag trauten wir uns auf einen sogenannten Fake-Markt. Dort werden nachgemachte Marken-waren in endloser Fülle angeboten. So richtig wohl fühlten wir uns in diesem Gewusel aber nicht. Zumal uns jeder anstierte. Als Europäer in einer chinesischen Metropole fällt man auf und wird auch ständig angesprochen. Die Leute wollen dich fotografieren oder anfassen. Nicht, dass uns einer als deutsche Nationalspielerinnen erkannt hätte. Nein, es ging allen ausländischen Gästen so.
Chinesisch – ein Buch mit sieben Siegeln. Aber wir sind in der Zeitung: Mit Anja in Schanghai
Neben Anja Mittag begleitete mich auch Simone Laudehr bei meinen wenigen Einkaufstouren in der asiatischen Großstadt. Wir drei haben in den Tagen von China 2007 kräftig Schnäppchen eingeheimst. Ich bringe von meinen Reisen stets meiner Familie etwas mit. Meist sind es irgendwelche Porzellanfiguren oder Bilder. Für meine Brüder kaufe ich in der Regel
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