Mein Tor ins Leben - Bajramaj, L: Mein Tor ins Leben
geht es mir gleich besser. Das baut mich wieder auf.
Unser DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger und Ehrenpräsident Gerhard Mayer-Vorfelder kamen zum spontanen Feiern mit ihren Ehefrauen in die Kabine. Wir tanzten ausgelassen auf den Bänken und Tischen, Champagner wurde gereicht. Irgendwoher wurde Bier organisiert. Trotz meines muslimischen Glaubens trank ich ein bisschen mit. Zu außergewöhnlichen Ereignissen ist das okay – und der Anlass war ja nun wirklich etwas ganz, ganz Besonderes.
Die komplette Anspannung der vergangenen vier Turnierwochen fiel spätestens in der Kabine von uns ab. Es hatte sich
also gelohnt, hart zu arbeiten, zu trainieren. Wir kassierten nicht ein einziges Gegentor. Von sechs WM-Spielen gewannen wir fünf, lediglich gegen England reichte es in der Vorrunde nur für ein 0: 0. Durch die Katakomben des Final-Stadions schallten unsere Freudenschreie. Meine Stimmbänder hatten zu diesem Zeitpunkt endgültig aufgegeben. Nach einigen Champagner- und Bierduschen sowie einer echten Dusche fuhren wir mit dem Bus zurück in unser Hotel. Und dann ging die Party erst so richtig ab …
Wenn das kein Grund zur Freude ist: 2007 darf ich den WM-Pokal halten!
In der hoteleigenen Disco tanzten wir eng umschlungen mit unserem Weltpokal zu den gängigen Partykrachern. Die Norwegerinnen, die wir im Halbfinale rausgeschmissen hatten und die sich noch den dritten Platz gegen die USA sicherten, feierten munter mit. Gemeinsam mit vielen offiziellen Vereinsvertretern, DFB-Mitarbeitern und Journalisten steppte der Bär bis in die frühen Morgenstunden.
Ich bin mir nicht mehr ganz sicher, wann ich auf mein Zimmer kam. Die Zeit reichte auf jeden Fall nicht mehr zum Schlafen, sondern nur noch zum Kofferpacken. Unser Flug nach Deutschland startete sehr früh von Schanghai Richtung Frankfurt. Diesmal war keine Businessclass für uns gebucht, alle saßen ziemlich eng aufeinander. Ich hockte neben Anja Mittag und Sonja Fuss. Eine Reihe weiter saß unsere Partyfraktion mit Nadine Angerer (sie soll die Letzte auf der Feier gewesen sein – und das hatte sie sich mit null Gegentoren redlich verdient!) und Linda Bresonik. Die zwei haben wirklich die komplette Zeit im Flieger gesungen und geschrien, da konntest du gar nicht schlafen.
Die fremden Leute neben uns feierten kräftig mit. Die meisten waren deutsche Urlauber, die haben sich für uns tierisch gefreut.
In Frankfurt am Flughafen empfingen uns Männerbundestrainer Jogi (Joachim) Löw, Manager Oliver Bierhoff und Co-Trainer Hansi Flick. Wir Spielerinnen waren echt geplättet. So einen Starauflauf hatten wir überhaupt nicht erwartet. Auf dem Weg zum Frankfurter Römer winkten uns unzählige
Leute zu. Wir sind ja mit dem leicht zu identifizierenden Nationalmannschaftsbus gefahren. Das war einfach toll.
Auf dem Römer ging es dann so richtig ab. Gänsehaut pur. Ich musste mehrmals heulen vor Freude. Meine Eltern überraschten mich mit ihrem Kommen. Sie hatten am Tag zuvor noch gesagt, dass sie es nicht schaffen werden, ich hatte also nicht mit ihnen gerechnet. Aber sie ließen sich das natürlich nicht nehmen. Der DFB hatte alles wunderbar organisiert, Mama, Papa und mein Management waren wie alle anderen Angehörigen der Spielerinnen schon im Rathaus, als wir ankamen. Papa musste heftig weinen, als er mich sah. Mama strahlte. Ich habe dann zu Papa mit einem Augenzwinkern gesagt: »Mensch, blamier mich doch nicht.«
Im ZDF-Sportstudio beim Torwandschießen – auf High Heels!
Etwa 15.000 Menschen haben wir dann unseren WM-Pokal gezeigt. Die Fans jubelten uns frenetisch zu. Das war gigantisch. Stundenlang tanzten, lachten und grölten wir vom Frankfurter Rathausbalkon runter. Mann, war das genial! Immer wenn ich meine Goldmedaille im Wohnzimmer meiner Eltern sehe, denke ich an diesen atemberaubenden Moment zurück. Das gute Stück liegt übrigens sicher in der Vitrine neben den vielen Engelsfiguren meiner Mama.
Nach unserer WM-Titelverteidigung war der Hype groß, wir Spielerinnen wurden zu vielen Veranstaltungen und bekannten Sendungen eingeladen. Ich flog etwa nach Nürnberg zum Deutschen Fußball-Kulturpreis, das Publikum empfing mich mit tosendem Applaus. Das war ein unglaublich schönes Gefühl, ich war richtig stolz. Natürlich durfte auch das »Aktuelle Sportstudio« nicht fehlen. Hey, das ist die Sportsendung im ZDF, da ließen wir frischgebackenen Weltmeisterinnen uns nicht zweimal bitten. Natürlich war für unsere Mannschaft Einheitskleidung angesagt,
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