Mein Tor ins Leben - Bajramaj, L: Mein Tor ins Leben
Männermagazine als stilvoll und ästhetisch loben – öffentliches Ausziehen ist für mich persönlich ein absolutes Tabu. Das könnte ich mit meinem Glauben nicht vereinbaren. Zudem würde mich mein Papa wohl enterben …
Zu unserer Religion gehört auch, dass meine Brüder mich beschützen und darauf achten, dass ich nicht ins Gerede komme. Natürlich darf ich einen Freund haben, aber der sollte nicht jede Woche einen anderen Namen tragen. Eine muslimische Frau darf ihre Würde nicht verlieren, es muss sich schon um eine ernsthafte Geschichte handeln, wenn man sich als Frau auf einen Mann einlässt. Andere muslimische Frauen können es nicht nachvollziehen, dass ich mich immer so aufbrezle und noch nicht verheiratet bin. Vielleicht wäre ich eine andere Lira, wenn meine Familie nicht nach Deutschland gekommen wäre und den Kosovo nicht verlassen hätte. Aber natürlich passt man sich seinem Umfeld auch an, hält die Dinge und Sitten für normal, wenn sie einem täglich vorgelebt
werden. Zumindest, wenn man sich integrieren will. Hätte die Mehrheit meiner Mitschülerinnen in der Schule jedoch ein Kopftuch getragen, wäre ich wahrscheinlich auch nicht drum herumgekommen.
In einigen Bundesländern gilt ein Kopftuchverbot für Bedienstete des Staates, weil eine religiöse Neutralitätspflicht gewährleistet werden soll. Lehrerinnen dürfen etwa in Bayern und Baden-Württemberg nicht mit Kopfbedeckung unterrichten. So richtig weiß ich nicht, was ich davon halten soll. Einerseits kann ich mit einem Kopftuch auch relativ wenig anfangen. Wäre meine Lehrerin mit bedecktem Haupt im Klassenraum erschienen, hätte mich das selbst als Muslima eher erschreckt. Andererseits sagt kein Mensch etwas, wenn ein Lehrer oder eine Lehrerin mit einem Kreuzkettchen um den Hals vor den Schülern auftaucht.
Ich lese heute viele Zeitungsberichte zum Thema Frauen und Islam, das Thema beschäftigt mich. Oftmals ist die Rede davon, dass Frauen im Islam weniger Wert wären als die Männer. So pauschal kann man das aber nicht sagen. In streng muslimischen Ländern wie Afghanistan oder Pakistan trifft das zum Teil zu, Mädchen dürfen die Schule nicht besuchen, Frauen müssen komplett verschleiert rumlaufen, trauen sich kaum aus dem Haus und haben wenig Rechte. In der Türkei schaut die Welt aber schon anders aus. Auch im Kosovo war das nie so extrem. Doch auch dort – siehe meine Geburt – war ein Junge schon ein bisschen mehr wert. Zumindest konnte sich mein Papa, als ich das Licht der Welt erblickte, gar nicht so recht an mir erfreuen. Gar nicht vergleichen lässt sich das Leben der islamischen Frauen in Afghanistan oder auch im Iran mit dem Leben von Muslima in westlichen Ländern, die in der Regel genauso wie ich frei und gleichberechtigt leben dürfen, zumindest wenn ihre Männer das zulassen.
Auch so schreckliche Dinge wie Ehrenmorde kenne ich aus unserem albanischen Kulturkreis nicht. Ich bin dankbar dafür, dass ich trotz einiger Regeln so viele Freiheiten genieße. Auch wenn mich meine Brüder immer beschützt haben, so würden
sie mich doch nicht verachten, geschweige denn töten, wenn ihnen mein Lebensstil nicht mehr gefällt.
Meine Religion schränkt mich auch im Fußball kaum ein. Wenn, dann dreht es sich hauptsächlich ums Thema Essen. Spaghetti bolognese geht halt nicht, in der Soße ist ja Schweinefleisch. Ich habe immer von Beginn an mit offenen Karten gespielt und alle Beteiligten informiert, so war das auch in der Nationalmannschaft nie ein Problem. Meine Mitspielerinnen haben mich am Anfang zwar immer etwas erstaunt angeschaut, wenn meine erste Frage beim Essen immer war: »Ist das Schweinefleisch?« Ich habe ihnen dann aber meine Beweggründe erklärt, und alles war klar. Einige Mitspielerinnen wussten gar nicht, dass Muslime kein Schweinefleisch essen. So hatten wir gleich ein Gesprächsthema. Genial war das mit dem Essen bei der WM 2007, unser eigener Koch hat sich für mich immer eine nette »Extrawurst« einfallen lassen.
Bei meinem alten Bundesligateam FCR Duisburg diskutierten wir oft über Religion. Beim regelmäßigen Freizeit-Kaffeeklatsch sprachen wir über Kopftuchverbot, Fastenzeit, aber auch über die katholische Kirche. Warum darf der Papst keine Ehefrau haben? Oder warum spricht sich der Papst gegen Kondome beim Sex aus? Hey, da wurde heftig debattiert. In den Anfängen spürte ich deutlich, dass es Berührungsängste zu mir und meiner Religion gab. Nachdem ich ein wenig über den Islam erzählt
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