Mein Tor ins Leben - Bajramaj, L: Mein Tor ins Leben
hatte, änderte sich das.
Wir redeten auch über Fußball spielende Frauen aus Afghanistan und anderen islamischen Staaten, die mit Kopftuch und langen Trainingsanzügen in brütend heißer Sonne kicken und zum Teil sogar ihr Leben riskieren, weil sie sich den Zorn radikaler Glaubensbrüder zuziehen. Ich bin überzeugt davon, dass ich als strenggläubige Muslima nie und nimmer so eine Fußballkarriere hätte hinlegen können. Mal davon abgesehen, dass mein Vater, wenn wir unsere Religion enger interpretiert hätten, meine sportlichen Ambitionen wirklich zu verhindern gewusst hätte, ich hätte mit anderen Hürden zu kämpfen gehabt: Niemals hätte ich mich so
kleiden können, wie sich eine Fußballspielerin eben anzieht: T-Shirt und kurze Hose, die Haare zum Pferdeschwanz gebunden und vielleicht ein Schweißband um die Stirn. Welcher Sichter hätte denn ein Mädel mit Kopfbedeckung und langer Hose auf dem Platz zu einer Kreisauswahl eingeladen? Ich hätte wohl so gut spielen können wie Zinedine Zidane und Ronaldinho zusammen, es wäre nicht gegangen. So einen Fremdkörper im Team tut sich kein Trainer der Welt an. Eine muslimische Deutsche, die bei der Nationalhymne vor einem Länderspiel mit Kopftuch, bedeckten Armen und Beinen in die Kamera lächelt und die Hymne mitsingt. Nein, das würde nicht funktionieren, ich wäre zu anders.
Meine gemäßigte religiöse Ausrichtung hat sicher nicht nur im Bereich Fußball zu meiner Integration beigetragen. Doch eins ist klar: Mein Glaube ist mir wichtig, er gibt mir die Kraft für viele Dinge, und ich habe keinen Grund, meine Religion zu verleugnen. Doch eigentlich ist die Situation schon merkwürdig gespalten: Einerseits existieren in jeder deutschen Stadt mindestens eine Moschee und islamische Gemeinden; auch wenn der Islam keine Staatsreligion ist, so gehört er doch in Deutschland irgendwie dazu. Andererseits spüre ich in meiner neuen Heimat Zurückhaltung gegenüber dem Islam. Ängste, Verunsicherung und Vorurteile schwingen bei vielen Begegnungen mit meinen neuen Landsleuten mit, die zum Teil auch von den Medien geschürt werden. Es würde mich freuen, wenn dieses Buch allen Lesern den Islam ein bisschen näherbringt und dazu beiträgt, meine Religion nicht grundsätzlich in eine Ecke zu stellen, in die sie eigentlich gar nicht hingehört. Denn ich bin nicht anders, ich bin Muslima!
Fast allein unter Männern
Mein Job in der Bundeswehr und andere Abenteuer
Irgendwann kommt der Punkt, da muss man sich entscheiden. Wo will man hin im Leben? Welcher Beruf ist geeignet? Für mich stand fest, dass ich mich nach der Schule erst so weit wie möglich auf den Fußball konzentrieren wollte. Davon a llein konnte ich aber nicht leben. Ich musste zumindest langsam die Zeichen Richtung Zukunft stellen und eine längerfristige Perspektive für mich finden. Eine gesunde Mischung aus Fußball und Ausbildung schwebte mir vor. Nachdem ich meinen Realschulabschluss auf der Abendschule nachgeholt hatte, bekam ich über meinen Verein FCR Duisburg eine Lehrstelle beim klubeigenen Steuerberater. Das war halt so der typische Weg: Erst mal eine ordentliche Ausbildung, dann schauen wir weiter. Ich empfand das zunächst als optimal. Dreieinhalb Jahre sollte die Ausbildung zur Steuerfachangestellten dauern. Ich dachte, dass in der Kanzlei genug Rücksicht auf meinen Sport genommen werden kann. Aber das funktionierte leider nicht. Ich hatte es mir einfacher vorgestellt. Oft musste ich das Training absagen, weil ich für meinen Arbeitgeber zu tun hatte. Ich war mit der Situation nicht zufrieden.
Da kam eine Anfrage von Bundestrainerin Silvia Neid gerade recht. Ich hatte ein Jahr Lehre hinter mir, als die DFB-Cheftrainerin
bei einem Leistungstest in Köln auf mich zukam. Zusammen mit Assistentin Ulrike Ballweg erklärte sie mir eine neue Job-Perspektive. »Es gibt da eine Möglichkeit«, sagte Frau Neid. Als das Wort »Bundeswehr« fiel, dachte ich nur: »Bloß nicht!« Ist das wirklich der Ernst der Bundestrainerin? Ich hatte ein ganz bestimmtes Bild von der Bundeswehr, dachte an strengen Drill, Waffen und Krieg. Frau Neid spürte, dass ich skeptisch war. Sie erzählte mir dann, wie es für Spitzensportler beim Bund abläuft, und das hörte sich gar nicht mehr so schlimm an. Wir hätten nicht ständig mit Waffen zu tun und würden auch nicht täglich antreten müssen. Sie empfahl mir, mich bei meiner Mitspielerin Kerstin Stegemann zu informieren, da sie seit vielen Jahren Berufssoldatin
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