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Mein Tor ins Leben - Bajramaj, L: Mein Tor ins Leben

Mein Tor ins Leben - Bajramaj, L: Mein Tor ins Leben

Titel: Mein Tor ins Leben - Bajramaj, L: Mein Tor ins Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lira Bajramaj
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Dorthin richten sich alle Muslime aus, wenn sie beten: »in Richtung Mekka«. Wer schon mal in einem arabischen Land war, ist bestimmt in einem Hotelzimmer auf einen Pfeilaufkleber gestoßen. Der zeigt die Himmelsrichtung nach Mekka an. Ziel vieler strenggläubiger Moslems ist es, einmal im Leben nach Mekka zu reisen. Mein Ziel ist das nicht. Wie gesagt, ich besuche Gotteshäuser – übrigens auch Kirchen – sehr, sehr selten. Wenn ich es noch nicht einmal bis zur Moschee in meiner Nachbarschaft schaffe, muss ich auch nicht nach Mekka reisen.
    Opa Ramush kann ich getrost als striktesten Muslim in unserer Familie bezeichnen. Er trinkt und raucht nicht, er betet täglich, er besucht regelmäßig die Moschee. Und er hält knallhart den Fastenmonat Ramadan durch. Ramadan ist der neunte Monat des islamischen Mondkalenders. Weil das islamische Mondjahr nur 354 Tage hat und nicht 365 wie in der christlich geprägten westlichen Welt, wandert dieser Monat durch alle Jahreszeiten. Wenn man die Mondsichel nach dem neunten Neumond im Jahr mit bloßem Auge sehen kann, beginnt der Ramadan für alle Gläubigen. In dieser Zeit ist das Fasten eine im Koran verankerte religiöse Pflicht der Muslime, dabei darf von der Morgendämmerung an bis zum Sonnenuntergang nichts gegessen oder getrunken werden. Das Fest des Fastenbrechens
am Ende des Ramadans – das Zuckerfest – ist einer der höchsten islamischen Feiertage.
    Ich faste nur zwei Tage im Jahr mit. Mehr ist als Leistungssportlerin unmöglich. Doch das Fasten bezieht sich nicht nur aufs Essen. Auch flüssige Nahrung und der Verzicht auf sogenannte Genussmittel sind in dieser Zeit nicht drin. Du darfst also noch nicht mal ein bisschen Lippenpflege auftragen, geschweige denn eben tagsüber etwas zu dir nehmen. Das geht bei meinem Sportpensum gar nicht. Ich muss ja trainieren – und immer was trinken. Ich bin da so wie eine albanische Bergziege: süffeln, süffeln, süffeln. Drei bis vier Liter am Tag sind für mich in Intensiv-Trainingsphasen keine Seltenheit. Tja, und allein mit dem Trinken von Wasser halte ich den Ramadan nicht ein. Selbst an den heißesten Tagen ist kein Tropfen Flüssigkeit erlaubt. Ausgenommen von dieser Vorgabe sind nur kranke und sehr alte Menschen, schwangere Frauen und Reisende. Ich sag in dieser Zeit dann immer nur: »Lieber Gott, das geht im Moment einfach nicht. Ich werde es aber nachholen, wenn ich mit dem Fußball aufhöre.«
    Neben dem Gebet und dem Fasten ist im Kopf vieler Menschen auch das Tragen eines Kopftuchs bei Frauen als Kennzeichen für den Islam tief verankert. Das stimmt so pauschal aber nicht. Im Kosovo trägt die Mehrheit der Frauen kein Kopftuch. Das war auch früher so, als wir in unserem kosovarischen Dorf gelebt haben. Mama hat nie eins getragen und Papa hätte es auch nicht gern gesehen, wenn ich mit einer Kopfbedeckung aus dem Haus gegangen wäre. Ich konnte mir das aber selbst auch nie vorstellen. Das war bei uns nie ein Thema.
    In meiner Schule in Mönchengladbach-Giesenkirchen war neben Nadia mit der gebürtigen Türkin Gülsüm noch eine weitere strengere Muslima in meiner Klasse. Beide stachelten mich immer etwas auf. Sie trugen beide ein Kopftuch und konnten es nicht fassen, dass ich trotz meines muslimischen Glaubens ohne herumlief. Es ist ja auch nicht im Koran vorgeschrieben, dass Frauen Kopfbedeckungen zu tragen haben.
Dennoch schmücken sich viele Muslima damit, weil sie stolz auf ihre Religion sind und das offen zeigen wollen. Das Kopftuch ist einfach in vielen islamischen Ländern als religiöses Zeichen etabliert – und Pflicht. Ich bin auch stolz auf meinen Glauben, allerdings ist mir das Tragen eines Kopftuches nicht wichtig. Noch schlimmer als mein unverhülltes Haupt aber waren für Nadia und Gülsüm meine kurzen Hosen im Sportunterricht und meine luftigen Sommerkleider an heißen Tagen. Oft blickten sie mich dann strafend an. Sie meinten das nie böse. Ihre religiöse Erziehung war einfach strikter. Im Grunde aber haben wir uns gegenseitig respektiert. Religionen lassen sich schließlich unterschiedlich tief interpretieren. Strenggläubige Christen legen die Bibel auch anders aus als »normale Durchschnittschristen«.
    Doch auch wenn ich mich gerne schön weiblich kleide, gibt es bei mir Grenzen, die ich nicht überschreite. Das muss alles stilvoll aussehen, darf nicht etwa ins Billige, Frivole abdriften. So würde ich auch niemals Nacktfotos von mir machen lassen. Selbst wenn alle immer die Bilder bekannter

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