Mein Tor ins Leben - Bajramaj, L: Mein Tor ins Leben
aber mit meinen Schuhen wollte ich zumindest ein bisschen punkten. Also habe ich die schwarzen Pumps zum schwarzen Anzug rausgeholt. Nach einem Gemeinschaftsinterview musste eine von uns Spielerinnen auf die legendäre Torwand schießen. Das ist der Klassiker. Ja, und dreimal darf man raten, wen es getroffen hat: Die Lira! Hey, und ich habe die Pille mit meinen Stöckelschuhen versenkt! Ich hatte sechs Versuche, drei unten und drei oben. Mit meinen Sieben-Zentimeter-Absätzen – ich habe extra später nachgemessen – stöckelte ich sozusagen den Ball zweimal unten rechts rein. Keine schlechte Leistung …
Kicken mit Kopftuch, oder was?
Ich bin nicht anders, ich bin Muslima
Wenn wir mit der Nationalmannschaft auf Reisen gehen, Wenn sind wir in der Regel mit dem Flugzeug unterwegs. Oft erreichen wir so zeitig den Warteraum am Flughafen, dass vor dem Abheben noch genug Zeit zum genauen Beobachten der Leute bleibt. Manchmal erwische ich mich selbst dabei, dass ich an solchen Orten alles Mögliche in wildfremde Menschen hineininterpretiere. »Hey, was ist denn das für eine Schnepfe dahinten am Fenster? So eine Arroganz ist ja schon unglaublich …« Oder: »Der Kerl in der Ecke wirkt wie ein Muttersöhnchen, der wohnt mit seinen geschätzten 35 Jahren bestimmt noch bei seinen Eltern.« Und der Klassiker: »Mann, muss der olle Typ da vorne Kohle ohne Ende haben, damit er sich die junge heiße Braut, die neben ihm sitzt, überhaupt leisten kann.«
Wenn ich muslimische Männer mit arabischem Einschlag und langen Bärten sehe und sie mir etwas zwielichtig vorkommen, ist da ein anderes, ein etwas unbehagliches Gefühl. »Was, wenn das jetzt Terroristen sind?«, denke ich da häufig. Das erschreckt mich selbst am meisten, weil diese Männer wahrscheinlich die friedlichsten Wesen in der ganzen Abflughalle sind. Dennoch steht meine Religion spätestens seit dem
11. September 2001 unter Generalverdacht. Viele Menschen vermuten seit den verheerenden Anschlägen in den USA: Alle Moslems sind gleich Terroristen. Osama bin Laden schwingt im Hinterkopf immer mit, wenn man einen arabisch aussehenden Menschen erblickt. Begriffe wie Fanatismus, Gewalt, aber auch die Unterdrückung der Frauen werden mit einer Religion in Verbindung gebracht, die zwar gegen diese Vorurteile kämpft, aber sie nicht so richtig abstreifen kann.
Ich bin selbst eine Muslima. Meine persönliche Gewalttätigkeit endet noch vor dem Erschlagen einer Mücke. Selbst wenn dieses nervige Tierchen eine komplette Nacht um mein Ohr herumsummt und mich damit um meinen wohlverdienten Schlaf bringt, kann ich es nicht erschlagen, das tut mir in der Seele weh. Auch muss ich feststellen, dass sich die Emanzipation in meiner Familie herumgesprochen hat: Papa trägt seit einigen Jahren den Müll heraus und meine Brüder helfen nach meinem Auszug im elterlichen Haushalt mit.
Was das albanische Temperament betrifft, könnte man mich allerdings drankriegen: Ich feure nämlich meinen jüngeren Bruder Flakron beim Fußballspielen stets so lautstark und emotionsgeladen an, dass ihm das vor seinen Mannschaftskameraden total peinlich ist. Zudem strafe ich jeden seiner bissigen Gegenspieler mit bösen Blicken. Die Jungs sprechen mich garantiert nie wieder in ihrem Leben an. Das hört sich jetzt alles recht lustig an, aber was ich eigentlich damit sagen will: Ich bin kein schlechterer Mensch, nur weil ich der muslimischen Glaubensgemeinschaft angehöre. Und meine Familie bastelt keine Bomben, nur weil wir den Koran zu Hause stehen und zum Teil auch gelesen haben.
Der Islam ist nicht besser oder schlechter als andere Religionen. Keiner macht heute Christen dafür verantwortlich, dass ihre Glaubensbrüder vor etwa tausend Jahren in den Kreuzzügen Tod und Verderben brachten oder im Mittelalter »Hexenverbrennungen« anordneten. Dennoch gibt es gegenüber Muslimen Vorurteile, denen ich mich selbst – siehe meine Gedankengänge am Flughafen – nicht entziehen kann.
Jede Religion ist in meinen Augen gefährlich, wenn sie ins Extreme abrutscht und fanatisch vertreten wird. Meine Familie zählt sich zu den gemäßigten Muslimen. Ich bin mit diesem Glauben groß geworden. Der Koran, also die heilige Schrift des Islam, steht bei meinen Eltern im Wohnzimmer. Nach ihm sollte sich jeder Moslem richten. Die grundlegende Botschaft des Korans ist: »Es gibt nur einen Gott, er ist der Schöpfer aller Dinge.« Ich habe die wichtigsten Kapitel bereits gelesen und mir fest vorgenommen, das Buch
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