Mein Traummann die Zicke und ich
wieder weg.
Als Pippa verschwunden war, normalisierte sich mein Leben wieder. Ein neues Schuljahr hatte begonnen, ein entscheidendes Jahr, in dem viele die Highschool verließen, um aufs College zu gehen, und viele Neue nur für die sechste Jahrgangsstufe dazukamen. Ich gewann neue Freunde, darunter Jasmine. Ich machte weiter, mit der Zeit wuchs Gras darüber, aber ich habe sie nie vergessen, so wie man niemals eine schlimme Krankheit vergisst. Man denkt nicht jeden Tag an sie, aber immer wenn man sich besonders schwach und verletzlich fühlt, schleicht sie sich zurück in deine Erinnerung.
Da ist sie also wieder, die Reinkarnation meiner bewegten Teenagerzeiten.
Pippa Langford.
Jetzt Phillippa Beresford.
Sols Schwester .
Kapitel 3
I ch habe ihn Solomon genannt, weil ich wusste, dass er ein kluger Junge werden würde.«
Elspeths süße warme Stimme holt mich zurück in die Gegenwart.
Sie hält mir das versprochene Babybild von Sollie hin, das sie aus seinem Versteck hinter einem anderen Foto von ihm hervorgeholt hat.
»Er ist schön«, sage ich mit seltsam gebrochener Stimme, und weil sie den Grund dafür falsch deutet, strahlt sie übers ganze Gesicht.
»Ja, das war er immer schon. Stell dir vor, wie hübsch erst seine Kinder sein werden. Den Namen Violet haben deine Eltern dir wohl wegen deiner Augenfarbe gegeben?«
Ich nicke. Ich weiß, was sie denkt. Ihr Sohn hat gerade die Frau mit nach Hause gebracht, die er heiraten wird. Sie stellt sich schon ihre Enkelkinder vor und denkt, dass ich das Gleiche tue.
Und das würde ich ja auch, das würde ich wirklich, das Betrachten dieses Fotos müsste eigentlich ein Moment sein, an den ich mich mein Leben lang erinnern werde. Ich müsste auf das niedliche, lächelnde Baby auf dem Bild blicken und über die Vornamen meiner eigenen nachdenken und darüber, wie viele es werden sollen. Ich müsste darauf bestehen, es mir noch länger ansehen zu dürfen, müsste fragen, ob ich einen Abzug bekommen kann, und Sols gespieltes Unbehagen dabei genießen … Doch stattdessen gebe ich es ihr viel zu schnell wieder zurück.
Denn alles, woran ich denken kann, ist ein anderes Bild, ein Bild, das meine Aufmerksamkeit magisch auf sich zieht, ganz gegen meinen Willen, als würde ich vergeblich versuchen, den Schauplatz eines Autounfalls auf der anderen Straßenseite zu ignorieren.
Irre ich mich? Lieber Gott, mach, dass ich mich irre. Aber je intensiver ich das lächelnde Gesicht betrachte, das ich allerdings öfter höhnisch grinsend als lächelnd gesehen habe, desto sicherer bin ich, dass ich mich nicht irre.
Philly ist Pippa. Pippa ist Philly. Sie sind ein und dieselbe Person, und ich bin fünfzehn, stehe kurz vor meinem sechzehnten Geburtstag, und allein ihr Anblick versetzt mich in Angst und Schrecken.
»Entschuldigt mich bitte einen Moment …«, stottere ich. »Könntet ihr mir bitte sagen, wo hier ein Badezimmer ist?«
»Onkel Silas’ nimmst du besser nicht«, scherzt Sollie, und Onkel Silas stimmt in sein Gelächter ein und klopft seinem Neffen beherzt auf die Schulter.
»Natürlich, wie unaufmerksam von mir«, schilt sich Elspeth, »du willst dich sicher noch frisch machen vor dem Essen. Du warst ja den ganzen Tag unterwegs. Sollie, zeigst du Violet bitte das blaue Zimmer?«
»Klar.«
Wie nicht anders zu erwarten, ist das blaue Zimmer ein blau gekachelter Waschraum gleich neben der Stiefelkammer, das man über die hohe Eingangshalle erreicht.
»Danke«, sage ich zu Sollie, als er mir den Raum zeigt. »Du brauchst nicht auf mich zu warten, ich glaube, ich finde den Weg alleine zurück.«
Aber er folgt mir in das Bad. »Alles in Ordnung?«
Da ich nicht weiß, was ich zu ihm sagen soll, nicke ich nur und füge dann ein wenig überzeugendes »Klar« hinzu.
»Ich weiß, sie können am Anfang ein bisschen vereinnahmend sein.«
»Oh nein, gar nicht«, beeile ich mich, ihm zu versichern. »Sie sind wirklich sehr nett und herzlich, ich mag sie sehr …«
»Aber?«
»Aber?«, wiederhole ich.
»Ich meine, ich hätte so etwas wie ein Aber am Ende deines Satzes vernommen, Violet.«
»Das bildest du dir ein«, flunkere ich und zwinge mich zu einem Lächeln.
»Kein Aber?«
»Kein Aber«, versuche ich ihn zu beschwichtigen. »So, und jetzt ab mit dir in die Küche, Sol, lass mich bitte in Ruhe pinkeln …«
Ich schiebe ihn vorsichtig aus der Tür.
Er fasst mich an den Händen, um mich zu stoppen, blickt mir ein paar Sekunden ins Gesicht und lehnt sich vor, um
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