Mein ungezähmter Highlander
breiten, hohen Stirn zurückgewichen war. Isabel konnte ihren Blick nicht von der Mitte seines Gesichtes abwenden, in der seine riesige, vom übertriebenen Whiskykonsum rote und knollige Nase prangte.
Im Großen und Ganzen stellte er eine ziemlich imposante Erscheinung dar. Sleat war ein Bär von einem Mann, dessen riesige Gestalt mit Muskeln bepackt und einer dichten Schicht dunkelroter Härchen überzogen war. Isabel rümpfte angeekelt die Nase, als ein Windstoß seinen strengen Geruch in ihre Richtung trieb. Er sah nicht nur aus wie ein Bär, er roch auch wie einer.
Ihr Blick schweifte über seine groben Züge, während sie versuchte, irgendwelche Ähnlichkeiten zu entdecken. Es war wirklich schwer zu glauben, dass er mit ihrer Mutter verwandt war. Man hatte Isabel erzählt, dass ihre verstorbene Mutter Janet außer Augen-, Haar- und Hautfarbe keinerlei Ähnlichkeit mit ihrem viel jüngeren Bruder besessen hatte. Janet war eine zarte, schlanke Schönheit gewesen. Den rohen Donald Gorm Mor hingegen konnte man noch nicht einmal als ansehnlich bezeichnen.
Aber er war ein sehr mächtiger Mann. Und wenn ihr Clan fortbestehen wollte, dann war er auf die Macht dieses Mannes angewiesen.
Isabel wartete noch immer darauf, dass ihr Onkel ihr antwortete. Unter seinem unverwandten Blick wurde ihr immer unwohler zumute – sie versuchte aber, sich den inneren Aufruhr nicht anmerken zu lassen. Hilfe suchend richtete sie den Blick auf ihren Vater, doch der MacDonald von Glengarry schien nicht weniger verärgert über ihren Ausbruch als ihr Onkel. Von seiner Seite war kein Beistand zu erwarten. Ihr Vater war auf ihren Onkel angewiesen wie ihr Onkel auf Isabel.
»Enttäusche mich nicht, Tochter.«
In ihrem Innern verkrampfte sich alles. Genau das war schon immer das Problem gewesen.
»Ich hätte dich für stärker gehalten, Nichtchen,« fügte Sleat hinzu. »Aber siehe da, wir sind noch nicht einmal in Sichtweite
der Burg und schon fängst du an zu zittern wie ein verschrecktes Reh. Reiß dich zusammen.«
Isabel verstand sehr wohl, was er mit seinen Worten bezweckte – seine Schmähungen sollten ihren Mut heraufbeschwören – aber es funktionierte nicht. Sie wusste, was ihr bevorstand. Nur ein Dummkopf würde keine Angst in ihrer Situation haben, und sogar der wäre gut beraten, zumindest ein ganz kleines bisschen Angst zu entwickeln.
»Mylady, seht einmal, dort drüben ist es,« flüsterte einer der Clansmänner ihr zu. Er ließ sein Ruder fallen und hob den Arm, um auf die Burg auf der anderen Seite der Bucht zu zeigen.
Isabel zwang sich, seinem Fingerzeig zu folgen. Ganz langsam hob sie den Kopf und erblickte die Burg, die ihr neues Zuhause werden sollte – oder ihr Kerker, wenn man sie entdeckte.
So schlimm ist es doch gar nicht, versuchte sie sich zu beruhigen. Zumindest nach außen hin war Dunvegan Castle kein besonders finsterer Ort, es sei denn man empfand meterdicke Steinmauern als Bedrohung. Die Burg lag hoch an den steilen, felsigen Klippen. Die langen, winkligen Curtainwalls schmiegten sich an den Rand der Steilküste und verbanden den hohen viereckigen Bergfried zur Linken mit einem kleineren Turm auf der rechten Seite der Festung. Und als wäre die Anlage nicht abweisend genug, schien der kleinere der Türme auch noch mit grotesk anmutenden Wasserspeiern verziert zu sein.
Beim Anblick von Dunvegan stieg in Isabel eine Ahnung drohenden Unheils auf. Diese Festung war einzig und allein zum Zwecke der Abwehr erbaut worden und alles andere als einladend. Sie würde jedem Angriff standhalten, aber, und für Isabel wesentlich entscheidender, auch jeglicher Befreiungsversuch
würde fehlschlagen. Einmal dort, gab es kein Zurück mehr.
Als das birlinn auf die Felsen zuglitt, von deren Fuße eine Treppe hinauf zur Festung führte, meinte Isabel einen Moment lang das Lachen von Elfen zu hören. Erst jetzt erinnerte sie sich wieder an die Geschichten, die man sich über die mystischen Wesen erzählte, die angeblich in den Wäldern von Dunvegan Castle lebten. Es hieß sogar, dass in den Adern der MacLeods Elfenblut floss. Normalerweise hielt Isabel solche Geschichten für abergläubisches Gerede der Alten, die noch mit den alten Traditionen verhaftet waren. Doch in gespenstischen Nächten wie dieser wirkten die Geschichten plötzlich nicht mehr so weit hergeholt.
Isabel verdrängte ihre allzu phantasievollen Vorstellungen und sagte sich, dass sie wohl nur die Dudelsackspieler gehört hatte, die sie mit ihrem
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