Mein ungezähmtes Herz
die Schwarze Kobra sie verfolgen würde und dass sie jedes Quäntchen Glück brauchen konnten.
Gareth hob sein Glas ebenfalls.
»Bis zum Wiedersehen.«
»An den grünen Ufern Englands«, ergänzte Logan.
Rafe zögerte kurz, ehe er seinen Toast ausbrachte.
»Auf den Tod der Schwarzen Kobra.«
Alle nickten beifällig, leerten ihre Gläser und stellten sie wieder ab.
Dann gingen sie zum Durchgang, tauchten unter dem Bambusrollo hinweg, suchten sich zwischen den klapprigen Tischen hindurch einen Weg zur offenen Tür der verräucherten Kneipe und stiegen die schmutzigen Treppenstufen hinab.
Unten angekommen blieb Del stehen und streckte die Hand aus.
»Viel Glück.«
Alle verabschiedeten sich per Handschlag.
Einen kurzen Augenblick standen sie noch da und schauten sich an.
Dann trat Rafe auf die staubige Straße.
»Mögen Gott und der Heilige Georg mit uns sein.« Mit einem allerletzten Gruß ging er davon.
So trennten sie sich, und jeder tauchte auf einem anderen Weg in der geschäftigen Stadt unter.
15. September, zwei Nächte später Bombay
»Wir haben ein Problem.«
Die Stimme passte zur Umgebung, der feine, aristokratische Akzent zur Schönheit, Pracht und Üppigkeit, die den Innenhof des vornehm zurückgesetzten Bungalows am Rand des schicken Stadtteils von Bombay auszeichneten.
Niemand, der das Haus von außen sah, hätte zweimal hingeschaut. Auf der Straßenseite war es ebenso unauffällig wie
viele andere in der Nachbarschaft. Aber schon das Vestibül überraschte mit seiner schlichten Eleganz, obwohl die vorderen Empfangsräume – diejenigen, die flüchtige Besucher zu sehen bekamen – nicht mehr als gediegen, zurückhaltend und eher sparsam möbliert waren.
Sie wirkten nicht gerade seelenlos, doch die Auserwählten, die ins Innere vorgelassen wurden, merkten rasch, dass dort eine andere, wesentlich genussfreudigere Atmosphäre herrschte.
Es ging nicht nur um eine Demonstration von Reichtum, sondern um ein unverhohlenes Schwelgen im Luxus. Je weiter man in die privaten Gemächer vordrang, desto kunstvoller die reich, aber geschmackvoll verzierten Möbel und desto vornehmer und raffinierter der Rahmen.
Der Innenhof, um den sich die Privatgemächer des Hausherrn gruppierten, war der Inbegriff des erholsamen, ruhigen Rückzugsorts. Ein langer, gekachelter Pool schimmerte im Mondlicht. Bäume und Sträucher säumten die weiß gestrichenen Mauern, während die offenen Fenster und Türen zum Eintritt in das geheimnisvoll dunkle Innere verlockten. Die nächtliche Brise verbreitete den exotischen Duft eines Tempelbaums, dessen abgeworfene Blüten wie Konfetti aus kostbarster Seide auf dem Pflaster verstreut waren.
»Wieso?«, fragte eine zweite Stimme aus dem kühlen Dunkel.
Die Sprecher befanden sich auf der großen, offenen Terrasse, die vor dem privaten Salon des Besitzers in den Innenhof ragte. Der Mann, der geantwortet hatte, ruhte auf einem Diwan voller seidener Kissen, während der Mann, der das Problem konstatiert hatte, am Rande der Terrasse auf und ab
lief – das leise Stakkato seiner Absätze verriet eine gewisse Anspannung.
Ein dritter Mann, in einem Sessel neben dem Sofa, beobachtete die Szene stumm.
Im Schatten der Nacht waren alle drei nur undeutlich zu sehen.
»Dieser verfluchte Govind Holkar!« Der erste Sprecher brach ab und fuhr sich durch das dichte Haar.
»Ich finde es unglaublich, dass er so viel Zeit verstreichen lässt, bis er uns Bescheid gibt!«
»Worüber?«, fragte der zweite Mann.
»Er hat meinen letzten Brief verloren – den, in dem ich ihn dazu bewegen wollte, uns mehr Männer zu schicken. Den Brief.«
»Was heißt verloren?«
»Das heißt, dass er von Holkars Schreibtisch im Gouverneurspalast von Poona verschwunden ist, als MacFarlane, dieser elende Schnüffler von Hastings’ Gnaden, sich zufällig dort aufhielt, um die Nichte des Gouverneurs nach Bombay zurückzubringen.«
»Und wann war das?« Der zweite Sprecher klang nicht mehr ganz so blasiert.
»Am Zweiten des Monats. Zumindest war das der Tag, an dem Holkar bemerkt hat, dass der Brief weg ist. Und auch der Tag, an dem MacFarlane mit seiner Truppe und der Nichte des Gouverneurs Poona bei Tagesanbruch verlassen hat. Holkar hat seine Banden hinter ihnen her geschickt …«
»Ich weiß, wie es weitergeht.« Der bislang stumme Dritte hatte einen dunklen Bariton, der sich von den helleren Stimmen der anderen abhob.
»Sie haben MacFarlane getötet, den Brief aber nicht gefunden.«
»Exakt«,
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