Mein ungezähmtes Herz
stieß der erste Sprecher frustriert und wütend hervor.
»Also deshalb musste MacFarlane sterben – ich habe mich schon gewundert.« Die kühle Stimme des zweiten Mannes war völlig gefühllos.
»Darf ich annehmen, dass man vor seinem Tod nicht viel aus ihm herausbekommen hat?«
»Richtig. Doch einer der Soldaten, die bei ihm geblieben sind, hat schließlich verraten, dass MacFarlane der Nichte des Gouverneurs ein Päckchen zugesteckt hat, ehe er sie weitergeschickt hat.« Der erste Sprecher hob eine Hand, um die anderen davon abzuhalten, ihn zu unterbrechen.
»Die Nachricht von Holkar ist erst heute Morgen eingetroffen – als ihm klar wurde, dass der Brief nach Bombay gelangt ist, hat er sich nach Satara verzogen, erst dann hat er einen Boten geschickt.«
»Mit Holkar können wir uns später beschäftigen«, warf der zweite Mann ein.
»Es wird uns schon etwas Passendes einfallen«, sagte der erste Sprecher voller Vorfreude.
»Bestimmt. Jedenfalls habe ich, sobald ich von dem Brief erfahren habe, Larkins losgeschickt, um zu sehen, was er in der Umgebung des Gouverneurs herausfinden kann. Anscheinend war Miss Elphinstone, die Nichte, bei ihrer Ankunft sehr aufgeregt, trotzdem ist sie am Spätnachmittag mit einer Dienerin zum Fort gegangen. Diese junge Dienerin ist dabei belauscht worden, wie sie erzählt hat, dass Miss Elphinstone, nachdem sie am Tor von MacFarlanes Tod erfahren hatte,
nach Colonel Delborough gesucht und ihm in der Bar der Offiziersmesse ein Päckchen übergeben hat.«
»Also besteht kein Grund, Miss Elphinstone zu verfolgen. Selbst wenn sie den Brief gelesen haben sollte, sie kann nichts damit anfangen.«
»Richtig«, sagte der erste Sprecher und fügte hinzu, »und umso besser, denn sie wird bald nach England zurückkehren.«
Der zweite Mann winkte ab.
»Vergiss sie. Jetzt hat Delborough den Brief und Holkar ein Problem. Aber er ist selbst schuld. Wir müssen bloß einen anderen Weg finden, Leute zu rekrutieren, doch bei dem Zulauf, den wir in letzter Zeit haben, dürfte Holkars Verlust zu verschmerzen sein.«
Eine Stille trat ein, doch sie war angestrengt, voll unterdrückter Spannung.
Der erste Mann durchbrach sie schließlich.
»Trotzdem müssen wir den Brief zurückholen.«
Der Mann mit der tiefen Stimme mischte sich wieder ein.
»Warum denn? Damit kann Delborough auch nicht viel mehr anfangen, als mit den anderen Schreiben, die seine kleine Gruppe zusammengetragen hat. Nichts darin bringt dich mit der Schwarzen Kobra in Verbindung. Jeder Verdacht, den der Colonel haben mag, ist eben nur das – ein Verdacht. Und zwar einer, den er nicht laut auszusprechen wagt.«
»Nicht was in dem verdammten Brief steht ist das Problem.« Wieder fuhr der erste Mann sich mit der Hand durchs Haar. Dann wandte er sich von den anderen ab und begann erneut auf und ab zu tigern.
»Eher das, was auf dem verfluchten Ding ist. Ich habe mein persönliches Siegel in das Wachs gedrückt.«
» Was?« , fragte der zweite Mann ungläubig, »das kann nicht dein Ernst sein.«
»Doch, ist es. Ich weiß, dass ich es nicht hätte tun sollen, aber wie hoch war das Risiko, dass ausgerechnet dieser Brief – der nach Poona gehen sollte – in Bombay landen würde, noch dazu in Delboroughs Händen?« Der erste Mann breitete die Arme aus.
»Es ist grotesk.«
»Was um Himmels willen ist in dich gefahren, für einen Brief von der Schwarzen Kobra dein persönliches Siegel zu benutzen?«, fragte der Bariton scharf und anklagend.
»Es ging nicht anders«, erwiderte der erste Mann barsch.
»Ich musste den Brief sofort auf den Weg bringen, sonst hätten wir noch eine Woche verloren – sicher erinnerst du dich noch, dass wir darüber gesprochen haben. Zu der Zeit brauchten wir unbedingt Verstärkung, Delborough und seine Männer machten uns das Leben schwer, und Holkar schien am ehesten aushelfen zu können. Wir haben uns darauf geeinigt, dass ich ihm schreibe, und zwar dringend. Aber der Kurier, der nach Poona reiten sollte, wollte früh los – der elende Wicht hatte doch tatsächlich die Frechheit, im Türrahmen stehenzubleiben und zuzusehen, wie ich den Brief verfasst habe. Er war kaum zu bremsen – wenn ich ihn vor die Tür geschickt hätte, damit er draußen wartet, wäre er einfach gegangen – ohne das Schreiben. Jede Entschuldigung wäre ihm recht gewesen.«
Im Laufen drehte der erste Mann den Siegelring am kleinen Finger seiner rechten Hand.
»Jeder im Büro – auch dieser verdammte Kurier – weiß
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