Mein ungezähmtes Herz
würden es ihm ermöglichen, die kommenden Tage zu überstehen. Das war gewissermaßen der Lohn dafür, dass er die Probleme, die sich durch Deliahs Anwesenheit ergeben hatten und noch ergeben würden, auf sich nahm.
»Du könntest eine ganze Stange Geld loswerden – ist dir das klar?«
»Nach all den Jahren in Indien bin ich fast so reich wie Krösus, also ist deine Besorgnis in dieser Richtung nett gemeint, aber völlig unnötig.«
Deliah schnaubte, doch dann lenkte sie ein.
»Nur zu deiner Warnung, allein das letzte Abendkleid kostet ein kleines Vermögen. Madame ist zwar noch jung, aber sie weiß, was ihre Arbeit wert ist.«
»Recht hat sie.« Del war begeistert, dass er auch diese Runde gewonnen hatte – und Deliahs Garderobe bezahlen durfte. Obwohl ihm natürlich bewusst war, dass sein Verhalten mit größter Skepsis zu betrachten war, freute er sich so sehr über seinen Sieg, dass er sich von solchen Überlegungen nicht die Stimmung verderben lassen wollte.
»Wer sein Handwerk versteht, sollte auch gut davon leben können. Aber die Warnung ist angekommen, und ich verspreche, beim Blick auf die Rechnung nicht tot umzufallen.«
Deliah gab ein sehr undamenhaftes Geräusch von sich, sagte jedoch nichts mehr.
Während sie stumm neben ihm her ging, sah er sie in dem blassgrünen Kleid vor sich. Und überlegte, wie er sie dazu bringen konnte, es anzuziehen.
Nach ein paar Schritten fiel ihm plötzlich ein, dass Deliah durchaus bereit gewesen war, ein »kleines Vermögen« für ihre Garderobe auszugeben. Dabei war ihre Familie nicht besonders wohlhabend, und falls sie anderweitig geerbt hätte, hätten seine Tanten es bestimmt erwähnt.
Außerdem reiste sie mit einem ganzen Tross, stieg in den besseren Gasthäusern ab, mietete Kutschen und private Salons
– und dachte offenbar nicht eine Sekunde darüber nach, was ein Aufenthalt im Grillon’s kostete. Dass er die Rechnung begleichen würde, konnte sie ja nicht wissen.
Also war sie wohlhabend. Aber wie hatte sie das angestellt?
»Habt ihr einen von den Kerlen erwischt?«
Die Frage brachte ihn aus dem Konzept.
»Aber sicher.« Sie waren am Berkeley Square angekommen. Del blieb stehen und sah in die Runde, dann drehte er sich zu Deliah um.
»Und da uns anscheinend niemand mehr folgt, machen wir einen kleinen Umweg.«
»Ach ja? Wohin soll’s denn gehen?«
»Zum Bastion Club.«
4
13. Dezember Bastion Club, Montrose Street, London
Zum Club war es nicht weit. Die Droschke, die Del herangewinkt hatte, hielt vor einem Haus in einer Straße südlich des Hyde Parks.
Während Deliah auf dem Bürgersteig stand und wartete, bis Del den Kutscher bezahlt hatte, musste sie sich eingestehen, dass sie auf den seltsamen »Privaten Männerclub mit Familienanschluss«, von dem sie nun schon so viel gehört hatte, ziemlich neugierig war. Das Haus Nummer 12 in der Montrose Street war ein solider Bau, der fast genauso aussah wie die benachbarten Gebäude. Jedenfalls fiel Deliah, während sie über den sauber gepflasterten Weg zur Eingangstür gingen, nichts auf, was es von einem normalen Privathaus unterschieden hätte.
Kaum setzten sie einen Fuß auf die Treppe, öffnete sich die Tür. Ein adretter, rundlicher Mann in der Tracht eines Majordomus – irgendwo zwischen dem typischen schwarzen Frack eines Butlers und der etwas weniger formellen Kleidung eines persönlichen Dieners – erwartete sie bereits und hieß sie mit einem strahlenden Lächeln willkommen.
»Colonel Delborough?«
»Der bin ich. Und das ist Miss Duncannon. Ich gehe davon aus, dass Torrington und Crowhurst bereits eingetroffen sind?«
»Jawohl, Sir. Ich bin Gasthorpe.« Mit einer leichten Verbeugung ließ Gasthorpe sie ein, dann nahm er Del den Mantel ab.
»Wenn wir Ihnen irgendwie behilflich sein können, Sir, zögern Sie bitte nicht, mir und meinem Stab Bescheid zu geben.«
Deliah zog es vor, ihren Umhang nicht abzulegen.
»Torrington und Crowhurst haben uns allerlei über Ihren Club erzählt.« Da die allgemeine Atmosphäre im Haus zurückhaltend, beinah streng war, zog der Strauß Treibhausblumen auf dem Flurtisch durch seine Farbenpracht und Frische alle Augen auf sich und milderte diesen Eindruck etwas ab. Das Spitzendeckchen unter der Vase und viele andere Kleinigkeiten deuteten darauf hin, dass sich dort nicht nur Männer, sondern auch Frauen aufhielten.
»Ursprünglich war der Club wohl nur für die Herren der Schöpfung gedacht, aber das hat sich ja offensichtlich
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